Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
sagen«, sagte ich.
Cohen lächelte flüchtig. »Zumindest Ihren Humor haben Sie nicht verloren«, sagte er. »Das ist gut.«
»Wieso?«, fragte ich. »Sind Sie der Meinung, ich würde ihn noch brauchen?«
Cohen schien die Unergiebigkeit des Gespräches einzusehen, denn er antwortete nicht darauf, sondern drehte sich wieder halb zur Tür. »Ich werde Sie für eine Weile allein lassen«, sagte er. »Es liegt bei Ihnen, wie bequem oder unangenehm Ihr Aufenthalt hier wird. Wie Sie sehen, gibt es eine Tür. Aber versuchen Sie nicht diesen Raum zu verlassen.«
Damit ging er. Verblüfft beobachtete ich, wie sich auch die beiden TIEFEN WESEN umwandten und hinter ihm den Gang entlangschlurften. Tatsächlich schien es nichts zu geben, was mich daran hinderte, mein Gefängnis zu verlassen.
Trotzdem beherzigte ich seinen Rat. Ich wusste, dass ich draußen verloren gewesen wäre. Ich hätte den Weg zurück niemals gefunden, sondern mich in den labyrinthischen Stollen und Gängen dieses Wahnsinnsgebäudes unrettbar verirrt.
So kauerte ich mich gegen die Wand, schloss die Augen und versank in düsteres Brüten. Ich hatte auch allen Grund dazu. Ich hätte auch allen Grund gehabt, mir selbst eine gehörige Portion Selbstmitleid zu gönnen, denn in dieser Geschichte war tatsächlich von Anfang an alles so schief gelaufen, wie es nur ging. Und dazu kam, dass ich immer weniger verstand, was hier überhaupt vorging. Selbst wenn ich unterstellte, dass Cohen irgendwie unter dem Einfluss Hennesseys und der anderen TIEFEN WESEN oder ihres Meisters stand, so machte diese Entführung trotzdem keinen Sinn. Es hätte ein Dutzend Möglichkeiten gegeben, mich leichter und mit viel weniger Risiko zu kidnappen – und mindestens fünf Dutzend Möglichkeiten, mich auf einfachere Weise umzubringen. Es war weiß Gott nicht das erste Mal, dass ich mich in einer verzweifelten und scheinbar ausweglosen Situation befand, aber noch nie hatte ich so wenig begriffen, was überhaupt geschah.
Ich musste wohl tiefer in meine düsteren Gedanken versunken gewesen sein, als mir selbst klar war, denn plötzlich schrak ich auf und begriff, dass jemand bei mir war. Vielleicht hatte er den Raum auch auf einem Weg betreten, den ich nicht wahrzunehmen vermochte.
Meinem ersten Erschrecken folgte ein zweites, tieferes, als ich sah, um wen es sich bei meinem Besucher handelte. Es war Hennessey, niemand anders als die groteske Kreatur, die in Hennesseys Rolle geschlüpft war. Und sie bot einen noch schrecklicheren Anblick als zuvor, denn sie hatte versucht, wieder ihr menschliches Aussehen anzunehmen. Das Ergebnis war eine grauenhafte Mischung aus einem verheerten, verstümmelten Menschengesicht und dem Antlitz einer riesigen Kröte. Hennesseys linke, unverletzte Körperhälfte war tatsächlich die eines vielleicht dreißigjährigen Mannes, aber der Rest schien zusammen mit seiner Unversehrtheit auch seine Fähigkeit der Verwandlung eingebüßt zu haben. Vor mir stand ein Geschöpf, das halb Kröte und halb Mensch war.
Erst auf den zweiten Blick registrierte ich, dass er nicht allein gekommen war. Joshua Pasons stand neben ihm und der Blick ins Gesicht des fünfjährigen Jungen erschütterte mich fast noch mehr als der in die groteske Visage des Ungeheuers.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte er nach einer Weile.
»O ja, danke«, erwiderte ich bitter. »Die Gastfreundschaft deiner Freunde lässt nichts zu wünschen übrig.«
Ein Schatten huschte über Joshuas Gesicht, etwas wie ein mimisches Achselzucken, dass man vielleicht von einem Erwachsenen erwartete, auf keinen Fall aber von einem Kind. Aber er sagte nichts. Dafür ergriff sein unheimlicher Begleiter das Wort.
»Ich bin gekommen um ein letztes Mal an Ihre Vernunft zu appellieren, Mr. Craven«, sagte er. Auch seine Stimme war nur noch zum Teil die eines Menschen. Die Worte waren verständlich und klar moduliert und trotzdem hörte es sich an, als versuche ein Fisch zu sprechen. Und beinahe noch absurder als ihr Klang war ihr Inhalt.
Hätte ich mich nicht zu elend dazu gefühlt, hätte ich laut aufgelacht. So reichte meine Energie gerade für einen ungläubigen Blick in sein deformiertes Halbgesicht. »Wie bitte?«
Hennessey versuchte den Kopf zu schütteln, aber da die amphibische Seite seines Körpers keinen Hals hatte, wurde ein groteskes Bewegen der Schultern daraus. »Er ist wie sie alle, Joshua«, sagte er, an seinen Begleiter gewandt, mich dabei aber fest im Blick seiner beiden unterschiedlichen Augen
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