Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
einer Stunde damit angefangen, wie ein gefangener Tiger in einem unsichtbaren Käfig im Kreis herumzulaufen, und bisher nicht damit aufgehört; und er blickte sich immer wieder lauernd um. »Irngdwas muss schiefegangn sein«, sprach er schließlich das aus, was auch Howard durch den Kopf ging, was er jedoch beharrlich zu verdrängen versuchte.
Und doch gab es nur diese Erklärung. Wenn George wirklich in der Lage war, mit seiner Maschine jeden beliebigen Punkt in der Zeit anzusteuern, wie er behauptete, dann war es völlig gleichgültig, wie lange seine Reise in die Vergangenheit dauerte, wie lange er sich dort aufhielt und wie lange er für den Rückweg benötigte. Selbst um sicherzugehen, dass er sich nicht selbst begegnete, brauchte er als Ziel seiner Rückkehr nur ein oder zwei Minuten nach seinem Aufbruch einzugeben. Er hätte längst wieder da sein müssen, wenn alles glatt gegangen wäre.
Einmal ausgesprochen, schien die Befürchtung an Substanz zu gewinnen, bis sie sich fast zur Gewissheit verdichtete. Dennoch weigerte sich Howard weiterhin, die daraus folgenden Konsequenzen zu akzeptieren. Die Logik sagte ihm, dass George gar nicht zurückkehren würde, denn außer einem wenig glaubhaften Irrtum gab es keinen Grund, warum er zeitlich so lange nach seinem Aufbruch noch erscheinen sollte, aber wider alle Vernunft gab er die Hoffnung trotzdem nicht auf. Sollte George aus irgendeinem Grund nicht zurückkehren um sie abzuholen, säßen sie für immer in dieser Zeit fest. Die Vorstellung war zu schrecklich, als dass er sich damit abfinden konnte. Die Welt der Zukunft war aufregend, bizarr, vielleicht interessant – aber hier leben? Niemals.
Er blickte aufs Meer hinaus. Das zurückflutende Wasser hatte noch mehr von dem schwarzen Etwas freigelegt, das er zuvor schon gesehen hatte, doch inzwischen war es zu dunkel geworden, um noch Einzelheiten zu erkennen. Es konnte sich um einen Felsen handeln, aber auch um ein vor langer Zeit versunkenes Gebäude. Mehr würde ohnehin nicht mehr davon sichtbar werden, denn mittlerweile hatte die Ebbe ihren Tiefststand erreicht und das Wasser begann bereits wieder anzusteigen.
»Vielleich sollten wa uns zun Eloi zurückmachen«, schlug Rowlf vor. »Da simma wenigstens einigermaßn sicha.«
Nach kurzem Zögern schüttelte Howard den Kopf. »Dafür ist es bereits zu spät. Ich vermute, dass die Morlocks längst aus ihren Höhlen herausgekommen sind, und dann würden wir ihnen direkt in die Arme laufen. Im Dunkeln haben wir allein keine Chance gegen sie.« Er zögerte noch einmal einige Sekunden. »Weiter hier herumzustehen dürfte aber genauso gefährlich sein«, fügte er dann hinzu und deutete auf die Höhle. »Verstecken wir uns lieber. Sollte George doch noch kommen, sehen wir ihn sofort, werden aber selbst nicht so leicht entdeckt.«
Rowlf erhob keine Einwände, sondern schien im Gegenteil sichtlich froh über Howards Vorschlag zu sein – ein Umstand, der Howard mehr beunruhigte, als er sich selbst gegenüber eingestehen wollte. Wenn es etwas gab, was Rowlf wirklich fürchtete, dann musste es etwas wirklich Schlimmes sein. Wenn er es recht bedachte, hatte er eigentlich noch nie erlebt, dass der rothaarige Riese tatsächlich Angst gehabt hätte …
Aber er sprach nichts von seinen Befürchtungen aus, sondern nickte nur noch einmal. Sie zogen sich in die Deckung der Höhle zurück. Von innen zerrte Howard möglichst viele herabhängende Ranken und Unkraut vor den Eingang, sodass die Pflanzen wieder einen grünen Vorhang bildeten, der sie vor einer Entdeckung schützte. So fühlten sie sich zwar etwas sicherer, doch das nervenaufreibende Warten ging unbarmherzig weiter.
Als gut eine Stunde seit Georges Aufbruch verstrichen war, wurden sie unvermittelt aus ihrer Ruhe geschreckt. Das Brechen eines Astes war zu hören, kurz darauf das Rascheln von Laub und gedämpfte Stimmen, die an das Grunzen von Tieren erinnerten. Howard zog sich ebenso wie Rowlf noch ein Stück tiefer in die Höhle zurück, bis sie an die rückwärtige Wand stießen. Gestalten erschienen auf dem Strand vor den Felsen. Ihre gedrungenen, nur schattenartig gegen den helleren Hintergrund des Meeres erkennbaren Körper sowie ihre plumpe Art, sich zu bewegen, zeigten deutlich, dass es sich um Morlocks handelte. Einige von ihnen kamen dem Eingang bedrohlich nahe. Howard wagte kaum zu atmen. Er fühlte, wie seine Hände und seine Stirn feucht von Schweiß wurden. Für einige Sekunden hatte er den Eindruck, von
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