Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
zurückzog, wo er besser vor der Hitze geschützt wäre.
Er drehte sich um und stürmte eine Treppe zur Kommandobrücke hoch. Eines der großen Fenster des Kapitänsstandes war eingeschlagen worden, sodass er mühelos ins Innere eindringen konnte. Rowlf konnte sich gut vorstellen, dass es sich um Spuren des Einbruchs von Kelly und Norris handelte.
Durch eine offen stehende Stahltür drang er tiefer ins Innere des Schiffes vor. Nach ein paar Stufen verblasste das Licht der Abenddämmerung hinter ihm. Er hakte die kleine Lampe, die er vorsorglich mitgenommen hatte, vom Gürtel los und zündete sie an. Der brennende Docht schuf eine drei, vier Yards durchmessende Oase der Helligkeit, sodass er sich nicht blind umhertasten musste.
Auch jetzt schwankte der Boden unter ihm noch leicht, ein Zeichen, dass das Schiff immer noch tiefer in die Lava einsank, aber zumindest die heftigen Stöße hatten aufgehört. Anscheinend hatten sie nur dazu gedient, die Erdkruste unter und rings um die THUNDERCHILD aufbrechen zu lassen.
Rowlf stieg eine eiserne Treppe hinab und erreichte einen Korridor. Nachdem er ihn einige Schritte entlanggegangen war, merkte er, dass sich die Wände des Ganges plötzlich veränderten. Wie schon vorher, beim Betrachten des gesamten Schiffes aus der Entfernung, war es eine Veränderung, die er nicht im Einzelnen verfolgen konnte, die sich seinen Blicken immer wieder entzog, sobald er sich auf einen bestimmten Punkt konzentrierte, die aber trotzdem da war. Als er sich umdrehte, war der Treppenaufgang, aus dem er erst vor wenigen Sekunden getreten war, verschwunden und die Veränderungen um ihn herum setzten sich immer schneller fort. Aus dem Stahl der Wände wurde grob behauenes Felsgestein, ein ebenso unbegreiflicher, wie Furcht einflößender Prozess, der allein vermutlich bereits ausgereicht hätte, manchen anderen in den Wahnsinn zu treiben. Rowlf jedoch hatte schon zu viel erlebt, das allen Naturgesetzen Hohn zu sprechen schien, und er verfügte über eine fast unerschütterliche Ruhe, die ihm half, auch jetzt die Nerven zu behalten.
Langsam ging er weiter.
Ich weiß nicht, wie viele Stufen ich hinabstürzte. Es mochten Dutzende, vielleicht aber auch Hunderte gewesen sein und jede einzelne traf meinen Körper wie ein Hammerschlag. Verzweifelt versuchte ich mich irgendwo festzuhalten und meinen Sturz zu bremsen, aber die Treppe war zu steil und die Wände zu glatt. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich mehr schlecht als recht zusammenzukrümmen und meinen Kopf mit den Armen zu schützen.
Irgendwann endete der rasende Sturz, ohne dass ich es zunächst merkte. Es dauerte eine Weile, bis ich mir bewusst wurde, dass mich keine weiteren Hiebe mehr trafen, dass Himmel und Erde aufgehört hatten, einen irren Tanz um mich herum aufzuführen, und dass ich regungslos auf dem Steinboden lag. Für einige Sekunden genoss ich die Ruhe und gab mich ganz dem Erstaunen hin, überhaupt noch am Leben zu sein, dann erinnerte mich mein Körper nachdrücklich an den Preis, den ich dafür zu zahlen hatte. Ich fühlte mich so zerschlagen, als wäre Dschingis Khans gesamte Horde mindestens ein Dutzend Mal über mich hinweggetrampelt und es schien keine Stelle meines Körpers zu geben, die nicht wehtat. Ich hatte unzählige Abschürfungen und Prellungen erlitten und mit Sicherheit würde ich mich spätestens in ein paar Stunden vor Schmerz überhaupt nicht mehr bewegen können – aber als ich mich vorsichtig aufrichtete und den Knoten löste, zu dem meine Arme und Beine irgendwie geworden waren, stellte ich fest, dass ich mir wie durch ein Wunder anscheinend nichts gebrochen hatte und auch von anderen schweren Verletzungen verschont geblieben war.
In Gedanken bedankte ich mich bei Howard, dessen Ungeschick ich diesen Sturz zu verdanken hatte, und auch bei Merlin, der alles mit seinem verrückten Verhalten überhaupt erst ausgelöst hatte, und blickte mich um.
Was ich sah, war genau das, was ich erwartet – genauer gesagt befürchtet – hatte. Ich befand mich in einem steinernen Gang, der durch einen trüben, leicht rötlichen Schein dämmrig erleuchtet wurde, der direkt aus den Wänden zu sickern schien, sodass ich wenigstens meine unmittelbare Umgebung erkennen konnte. Erneut hatte mich das seltsame Tor in meinem Kleiderschrank in das Labyrinth unter der Felseninsel – und möglicherweise auch wieder zurück in der Zeit – verschlagen.
Nun, noch einmal würde ich mich hier ganz bestimmt nicht auf eine
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