Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
einfach ein Steinblock gewesen, riesig, erschreckend und einschüchternd in seiner barbarischen Pracht, aber jetzt war es … beherrschend. Ein Materie gewordenes Versprechen auf alles Übel und alles Böse, das diese Welt jemals geboren hatte. Und obwohl ich schon schlimmeren, ungleich mächtigeren Geschöpfen gegenübergestanden – und sie besiegt! – hatte, erschreckte mich doch dieser Anblick und das ihn begleitende Gefühl ungleich mehr, als es selbst Cthulhu und all seinen abscheulichen Gefährten jemals möglich gewesen war. Cthulhu und die GROSSEN ALTEN waren Gottheiten gewesen, die von den Sternen gekommen waren und diese Welt erobert hatten, doch was ich nun fühlte, war etwas viel, viel Schlimmeres. Die Bosheit der Thul Saduun war nicht fremd. Sie war Teil unserer Welt und etwas von ihnen, ein Hauch des schwarzen Odems, der ihre Existenz ausmachte, war auch in mir. In allen von uns. Vielleicht blickte ich in diesem Moment zum allerersten Mal im Leben wirklich dem Teufel ins Gesicht, dem Alten Feind, von dem nicht nur die Bibel berichtet, und das Entsetzlichste an diesem Gedanken überhaupt war das unumstößliche Wissen, mit dieser höllischen, abgrundtiefen Bosheit irgendwie verwandt zu sein, wie jeder Mensch, jedes Tier, jedes lebende Wesen auf dieser Welt.
Obwohl ich wusste, dass es vollkommen sinnlos war, drehte ich mich noch einmal herum und wandte mich an den Mann im roten Mantel. »Bitte!«, sagte – nein: flehte – ich. »Tun Sie es nicht!«
»Sie winseln um Ihr Leben, Mister Craven?« Der Bursche schüttelte den Kopf. Der Ausdruck auf seinem Gesicht schien echte Enttäuschung zu sein. »Sie enttäuschen mich, Mister Craven. Ich hatte gedacht, dass Sie es mit etwas mehr Fassung tragen, nach allem, was ich von Ihnen gehört habe.«
»Es geht nicht um mein Leben, Sie Narr!«, antwortete ich. »Wenn Sie mich töten wollen, dann tun Sie es! Ich kann Sie nicht daran hindern! Aber Sie … Sie dürfen diese Ungeheuer nicht freilassen! Es wäre das Ende der Welt!«
Das war nichts anderes als das, was ich ihm schon vor einigen Augenblicken gesagt hatte, und doch … vielleicht war es der verzweifelte Klang meiner Stimme, der diesen Worten mehr Eindringlichkeit verlieh, denn ich sah ganz genau, dass er plötzlich ein wenig unentschlossen wirkte. Sein Blick suchte den Steinblock hinter mir und irgendetwas … änderte sich darin. Vielleicht begann er jetzt, wo es beinahe zu spät war, doch noch zu begreifen, was er und die anderen da eigentlich taten.
Allerdings nicht für lange. Möglicherweise hätten meine Worte ihn tatsächlich überzeugt, oder vielmehr das, was er in diesem Moment zu spüren schien, doch gerade, als er zu einer Antwort ansetzte, trat der Junge mit einem erschrockenen Schritte neben ihn und machte eine hektische Handbewegung. »Es ist ein Fremder hier!«, sagte er. »Ein Verräter! Wir haben einen Verräter unter uns!«
Und damit fuhr er herum und deutete mit einer anklagend ausgestreckten Hand auf eine Gestalt, die zwischen den anderen stand und sich auf den ersten Blick nicht im Geringsten von ihnen zu unterscheiden schien.
Allerdings wirklich nur auf den allerersten Blick …
Es war Rowlf.
Ich hatte nicht die allergeringste Ahnung, wie er hierher gekommen war oder in den Besitz eines der roten Mäntel (das hieß, was das anging, so hatte ich eine ungefähre Vorstellung, aber das spielte im Moment nun wirklich keine Rolle), aber es gab gar keinen Zweifel. Im gleichen Moment, in dem der Junge zu schreien begann, flogen seine Hände nach oben, um die rote Kapuze zurückzuschlagen, und ich erkannte das bullige Gesicht und den struppigen Bürstenhaarschnitt sofort, selbst aus der Entfernung und in dem Chaos, das im gleichen Sekundenbruchteil am anderen Ende der Grube losbrach. Wäre ich nur ein ganz klein bisschen weniger abgelenkt gewesen oder hätte ich auch nur einen einzigen, etwas aufmerksameren Blick über die Menge der rot gekleideten Männer geworfen, so wäre mir Rowlfs hünenhafte Gestalt mit Sicherheit schon eher aufgefallen, denn er überragte die Menge wie der sprichwörtliche Fels die Brandung.
Allerdings war er nicht annähernd so ruhig …
Die Worte des Jungen waren noch nicht einmal verklungen, als Rowlf auch schon mit einer für einen Mann seiner Größe und Statur geradezu unglaublich schnellen Bewegung herumwirbelte und den ihn am nächsten stehenden Mann packte. Ich konnte nicht genau sehen, was er tat, aber im nächsten Augenblick flog der unglückselige
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