Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
Vater war ja die meiste Zeit unterwegs und was dieses Haus betraf, so war er nie sehr mitteilsam.«
»Das könnte jedenfalls eine Erklärung für die großen Schwierigkeiten sein, die wir mit dem Haus haben«, fuhr Storm fort. »Ein zweiter, tieferer Keller verändert natürlich die Statik des gesamten Gebäudes. Möglicherweise werden dadurch Spannungen in den Wänden verursacht; ich werde entsprechende Messungen noch anstellen lassen. Das ist aber nicht der eigentliche Grund, weshalb ich Sie hergebeten habe. Kommen Sie.«
Wir stiegen nacheinander die Treppe hinunter und erreichten ein weiteres Gewölbe, das denen über uns weitgehend glich, doch steigerte sich mein Gefühl des Unbehagens mit jeder Stufe, die ich weiter in die Tiefe stieg. Staubbedeckte Spinnweben hingen wie die zerfetzten Segel mythischer Schiffe in dem Gewölbe und auch der Fußboden war mit einer fast knöcheltiefen Staubschicht bedeckt. Wir gingen äußerst vorsichtig, um nicht mehr als unbedingt nötig davon aufzuwirbeln, dennoch legte sich der trockene Staub schwer auf meine Lungen, brachte mich zum Husten und ließ meine Augen brennen.
»Was ich Ihnen zeigen möchte, ist gleich dort drüben«, sagte Storm und leuchtete mit seiner Lampe in die angegebene Richtung. »Wie ich schon sagte, wollte ich nur das Fundament überprüfen und bin deshalb hier heruntergekommen. Und dabei habe ich das hier entdeckt.«
Der Lichtschein unserer Lampen riss ein eingebrochenes Mauerstück aus der Dunkelheit. Es musste sich um eine der Außenmauern handeln, denn dahinter befand sich kein weiteres Kellergewölbe – aber auch kein massives Erdreich, sondern ein kleinerer Hohlraum. Erst als ich dicht an den Mauerdurchbruch trat, erkannte ich, dass es sich um einen Stollen handelte, der sich in beide Richtungen erstreckte, soweit das Lampenlicht reichte. Doch die bloße Tatsache seiner Existenz war nicht einmal das Erstaunlichste an dem Stollen.
Die Wände bestanden aus massivem Felsgestein und trotzdem waren sie völlig eben, fast wie glasiert.
»Verstehen Sie jetzt, weshalb ich Sie kommen ließ?«, drang Storms Stimme in meine Gedanken. »Ich bin den Stollen ein Stück entlanggegangen. Er führt weit über die Grenzen des Anwesens hinaus und schneidet sich mit einem völlig gleichen anderen Stollen, sodass ich vermute, dass es noch mehr gibt. Nach dem Unglück in der Innenstadt heute Morgen hielt ich es für besser, zunächst einmal mit Ihnen zu sprechen, damit Sie entscheiden können, was nun geschehen soll. Ich schätze, wir müssen das der Bauaufsicht melden.«
Ich nickte geistesabwesend, kletterte durch das Loch in der Mauer in den Gang hinein und strich mit den Fingern über die Stollenwand. Sie war ebenso glatt, wie sie aussah. Obwohl der Stollen gut drei Yards durchmaß, gab es keinerlei noch so kleinen Vorsprung, nicht die geringste Unebenheit. Selbst mit modernsten Präzisionsinstrumenten musste es nahezu unmöglich sein, das Gestein so akkurat zu bearbeiten, ganz abgesehen davon, wer überhaupt ein Interesse daran haben sollte, einen solchen Stollen tief unter der Erde zu bohren. Beide Kellergewölbe waren mehrere Yards hoch, sodass wir uns sogar noch unterhalb der Kanalisation befanden.
Ratlos starrte ich Howard an. »Kannst du dir einen Reim darauf machen?«
Howard zuckte nur mit den Schultern.
Ich zögerte spürbar, weiterzugehen. Dieser Stollen … machte mir Angst. Ich konnte selbst nicht sagen, warum, aber etwas daran war … unheimlich. Auf eine Weise, die mir sonderbar bekannt vorkam, auch wenn ich im Moment noch nicht sagen konnte, wieso.
»Ich würde dort nicht hineingehen«, sagte Storm, als ich Anstalten machte, weiter vorzudringen. »Wer weiß, wie alt diese Stollen sind. Sie könnten zusammenbrechen.«
Das glaubte ich kaum. Im bleichen Licht meiner Lampe schimmerten die Wände wie polierter Stahl und sie fühlten sich auch genauso hart an. Nachdenklich strich ich mit den Fingerspitzen darüber. Da war etwas Glitschiges. Ich hob die Hand an die Augen und blickte einen Moment stirnrunzelnd auf den farblosen, zähen Schleim, der an meinen Fingern klebte. Er fühlte sich kalt an, glibberig … und unangenehm. Nicht ekelhaft, wie man hätte erwarten können, nur unangenehm. Ein schwacher, fremdartiger Geruch ging davon aus.
»Vielleicht gehen Sie und holen eine weitere Lampe, Mister Storm«, bat ich. »Ich werde mich hier ein wenig umsehen. Keine Sorge – ich passe auf.«
Storm entfernte sich, ohne mich noch einmal davon abhalten
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