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Heyne Galaxy 06

Heyne Galaxy 06

Titel: Heyne Galaxy 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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eins der Tiere und zerlegte es. Ich stand in der Nähe und sah zu. Weber starrte auf das geöffnete Tier und machte ein erschrockenes Gesicht. Dann verpackte er die Teile und warf sie in den Abfallvernichter. Webers Gesicht war sehr bleich.
    Ich fragte ihn etwas später, was denn los gewesen sei, aber er weigerte sich, mir Auskunft zu geben.
    An diesem Abend ging ich früh zu Bett, weil ich die zweite Wache hatte und etwas schlafen wollte. Aber kaum hatte ich die Augen zugemacht, als sich draußen ein Höllenlärm erhob. Ich fiel förmlich aus dem Bett, zog die Schuhe an und taumelte aus dem Zelt. Kemper folgte mir auf dem Fuße.
    Es war bei den Käfigen. Die Tiere versuchten auszubrechen. Sie nagten an den Gitterstäben, schlugen um sich und schrien. Weber versuchte sie mit Injektionen zu beruhigen, aber es dauerte fast eine Stunde, ehe er alle Tiere eingeschläfert hatte. Wenigstens alle, die noch vorhanden waren. Einigen war die Flucht gelungen und sie waren spurlos verschwunden.
    Ich nahm das Gewehr und löste die Wache ab.
    In dieser Nacht geschah nichts mehr.
    Ich setzte mich nicht, sondern patrouillierte in der Nähe der Käfige auf und ab, das Gewehr schußbereit in den Händen. In mir spürte ich eine Unrast, für die ich nach einer Erklärung suchte. Und ich fand sie. Ich sagte mir, daß zwischen dem Verschwinden Fullertons und den verzweifelten Fluchtversuchen der Tiere ein Zusammenhang bestehen mußte – ein Gedanke, der mir plötzlich den Schweiß aus den Poren trieb.
    Ich ahnte, daß ich der Lösung nähergekommen war.
    Was war alles geschehen, seit wir hier landeten? Ich versuchte mich zu erinnern, Stück für Stück. Es war ein gewundener Pfad durch Zeit und Erinnerung, aber er brachte mich ein Stück weiter. Er endete immer am selben Fleck. Er endete bei Kempers Bemerkung, er finde es äußerst merkwürdig, daß die Viecher keinerlei Anstalten träfen, sich gegen Gefahren zu verteidigen.
    Es gab auf dieser Welt keine Art der Verteidigung!
    Und das war es, was einfach nicht zu glauben war.
    Vielleicht verfügten die Viecher über das gemeinste, hinterhältigste und wirksamste Verteidigungssystem, das man sich vorstellen konnte.
    Ich konnte nicht schlafen. Ich hielt Wache bis zum Morgengrauen, dann weckte ich die anderen und legte mich in mein Zelt, um wenigstens einen Augenblick zu schlafen. Jetzt kam die Müdigkeit, und es dauerte keine zwei Minuten, bis ich eingeschlafen war.
    Kemper weckte mich.
    »Aufstehen, Bob! Schnell, aufstehen!«
    Es war später Nachmittag, und die Sonne stand dicht über dem Horizont. Kempers Gesicht verriet Erregung und Überraschung. Es wirkte um Jahre älter, seit ich es vor zwölf Stunden zum letztenmal gesehen hatte.
    »Sie kapseln sich ein«, sagte er, als er meinen forschenden Blick sah. »Sie verwandeln sich in Kokons oder kristallisieren – ich weiß es nicht, ich weiß es nicht…«
    Ich starrte ihn an.
    »Der Ball, den wir in der Steppe fanden …?«
    Er nickte.
    »Fullerton?« fragte ich atemlos.
    »Wir werden nachsehen, Bob. Wir alle. Die Tiere können allein zurückbleiben. Aber wir müssen sicher sein und uns überzeugen.«
    Es war gar nicht so einfach, die Senke wiederzufinden, denn das Land war ohne jedes markante Kennzeichen. Doch endlich hatten wir Glück. Es war schon dunkel geworden.
    Der weiße Ball war zerbrochen, so wie ein Ei zerbrach, wenn das Küken ausschlüpfte. Die beiden Hälften lagen in der Senke, die offenen Seiten nach oben gekehrt. Am Himmel waren die Sterne erschienen. Ihr Glanz gab genug Licht, um das Innere der Schalen erkennen zu lassen. Sie waren ein letztes Lebewohl, und zugleich waren sie der neue Beginn.
    Ich versuchte etwas zu sagen, aber mein Hals war so trocken, daß ich kein Wort hervorbringen konnte.
    In den zwei Hälften des Eis oder des Kokons waren noch deutlich die Abdrücke Fullertons zu erkennen, seine Umrisse, seine ehemalige Gestalt als Mensch, ein wenig verwischt von dem, was er nun geworden war …
    Unser Marsch zurück ins Lager glich einer Flucht.
    Irgendwie gelang es Oliver, die Lampe im Lager anzuzünden. Wir standen herum und wagten es nicht, uns in die Augen zu sehen. Vor uns lag nun die Gewißheit, was geschehen war und was noch geschehen würde. Wir brauchten uns nichts mehr vorzumachen. In der Senke hatten wir die Antwort auf alle unsere Fragen gefunden.
    »Bob ist der einzige von uns«, sagte Kemper schließlich mit zittriger Stimme, »der noch eine Chance hat. Ich schlage vor, daß er sofort startet.

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