Heyne Galaxy 07
schon versuche ich uns zu finden. Es gibt uns nicht mehr in der Zukunft, Gerry. Wir sind nicht mehr da. Wir sind tot.«
Das also war es, was sie bedrückte. Was sollte ich dazu sagen? Marge mußte verrückt geworden sein, ein solches Geheimnis monatelang für sich zu behalten. Kein Wunder, daß sie krank und elend aussah.
Ich sagte:
»Ein Irrtum der Maschine …«
Und dann fiel mir ein, daß sich der Grundy-Projektor niemals irrte und daß die Zukunft unveränderlich feststand.
Trotzdem versuchte ich einen Ausweg zu finden.
»Du wirst uns deshalb nicht gefunden haben, weil wir umzogen, Marge. Vielleicht wurde mir eine Filiale zugeteilt, und wir mußten hier fort. Atkins hat eine solche Möglichkeit schon mehrmals angedeutet.«
»Ich habe überall gesucht«, sagte sie untröstlich. »Ich habe uns nirgends gefunden.«
»Aber wie willst du wissen, daß wir sterben? Hast du es vielleicht gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich habe es nicht gewagt, genau nachzuforschen. Es muß in wenigen Monaten geschehen. Ich hatte Angst, mich zu vergewissern. Ich weiß nur, daß wir in vier oder fünf Monaten nicht mehr hier in der Wohnung sein werden.«
»Hat jemand anders dir gegenüber unseren Tod erwähnt?«
Marge schüttelte den Kopf und begann wieder zu weinen.
»Ich wette, du hast dir ganz umsonst Sorgen gemacht«, sagte ich. »Vielleicht hast du etwas übersehen. Ganz bestimmt wird sich eine vernünftige Erklärung für alles finden. Warte nur ab.«
Es mußte nicht sehr überzeugend geklungen haben, denn sie sah mich mit Tränen in den Augen verzweifelt an.
»Gerry… würdest du es vielleicht mal versuchen? Wenn du für unser Verschwinden eine harmlose Erklärung findest, dann sag' es mir. Ist es aber etwas Schlimmes, dann will ich dich erst gar nicht danach fragen, das verspreche ich dir.«
»Nein«, sagte ich fest. »Wenn ich schwiege, wäre das genauso, als erzählte ich dir die Wahrheit. Abgesehen davon – ich will gar nicht wissen, was passiert. Es wäre auch besser für dich, wenn du nicht so neugierig wärest.«
Den restlichen Abend saßen wir einfach so herum. Wir sprachen kaum zusammen, und ich war froh, als Marge endlich ins Bett ging. Ich wartete, bis sie eingeschlafen war, dann schlug ich unsere beiden Grundy-Zeitprojektoren in Stücke. Ich hatte die Not und Verzweiflung jener Leute kennengelernt, die von ihrem bevorstehenden Tod wußten. Die Vernichtung der Projektoren würde unsere Zukunft natürlich nicht ändern, aber ich wollte verhindern, daß Marge der Versuchung erlag und weiterforschte. Oder ich.
Kurz danach begannen wir uns ernsthaft zu streiten. Marge sprach nur noch über unseren bevorstehenden Tod und steigerte sich in eine regelrechte Hysterie hinein. Dauernd lag sie mir damit in den Ohren und nahm mir jede Lust zur Arbeit. Wozu sollte ich auch noch arbeiten, wenn wir nur noch kurze Zeit zu leben hatten? Der Gedanke, so schien mir, wirkte ansteckend.
Marge war schrecklich wütend darüber, daß ich unsere Projektoren zerschlagen hatte. Sie beschuldigte mich, es nur deshalb getan zu haben, um sie leiden zu sehen.
»Nun wissen wir nicht, was geschehen wird«, schrie sie mit schriller Stimme. »Wir wissen es nicht, bis es zu spät ist.«
»Genau!« brüllte ich zurück. »Und so finde ich es auch richtig. Was haben wir schon davon, wenn wir von dem nahenden Unglück wissen und können es doch nicht ändern? Das ist doch völliger Blödsinn!«
Dann, etwas später an einem Abend, hatten wir jenen Streit, den wir vor zwei Jahren beobachten konnten. Marge sprach davon, daß sie sterben müsse und ich sagte ihr, daß sie sich selbst mit solchen Gedanken noch ins Grab wünsche. Sie schien vergessen zu haben, daß auch ich starb – wenn ihre Vermutung stimmte. Sie dachte nur noch an ihren eigenen Tod.
Als ich wütend im Raum auf- und abstampfte, überkam mich auf einmal ein merkwürdiges Gefühl, denn in dieser Sekunde fiel mir ein, daß mein jüngeres Ich mich in diesem Augenblick beobachtete. Ich blieb stehen und sah mich suchend im Raum um.
Natürlich konnte ich nichts entdecken, weil einfach nichts zu sehen war. Außerdem war ich ja damals vor zwei Jahren schnellstens verschwunden, als ich die suchenden Blicke meines anderen Ichs bemerkte.
Ein wenig beschämt versuchte ich Marge zu beruhigen, aber dazu war es bereits zu spät.
Jeden Tag war ich froh, wenn ich aus dem Haus konnte, um im Büro ein paar Stunden zu arbeiten. Ich fürchtete mich vor dem Zusammensein mit Marge. Wir
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