Heyne Galaxy 09
er sich überwinden und das Ding berühren konnte, und als er seine Hand schließlich ausstreckte, war er angenehm überrascht. Er war darauf gefaßt gewesen, eine kalte oder schleimige Haut zu berühren, doch das war nicht der Fall. Die Haut war warm und hart und fühlte sich irgendwie sauber an, und er mußte unwillkürlich daran denken, daß sich ein grüner Maiskolben so anfühlen würde.
Er ließ seine Hand sanft unter das verletzte Ding gleiten und zog es zwischen den Ästen des Haselbusches hervor. Dann drehte er es herum, um einen Blick auf sein Gesicht zu werfen.
Es hatte kein Gesicht. Es hatte eine Art Verbreiterung an seinem oberen Ende, die wie eine Blüte auf einem Stengel saß, obwohl der Körper des Wesens nun durchaus kein Blumenstengel war, und diese Verbreiterung war gewissermaßen ausgefranst, und die Fransen bewegten sich wie Würmer.
Bei diesem Anblick hätte sich der alte Mose beinahe umgewandt und wäre davongelaufen.
Aber er hielt durch.
Er setzte sich nieder und starrte auf das Nicht-Gesicht mit dem Wurmkranz, und es überlief ihn kalt, und sein Magen geriet in Bewegung, und die Angst wollte ihn schier lähmen. Diese Angst wurde sogar noch größer, als er feststellen mußte, daß das leise Wimmern von den Würmern auszugehen schien.
Mose war ein eigensinniger Mann. Man mußte schon eigensinnig sein, um auf einer solchen Farm zu leben. Eigensinnig und in mancher Beziehung gefühllos. Aber nicht gefühllos gegenüber einem Wesen, das Schmerzen litt.
Schließlich fühlte er sich stark genug, das Wesen aufzunehmen und es in seinen Armen zu halten, und eigentlich war das gar nichts Besonderes, denn es wog nicht sehr viel. Weniger als eine junge Ziege, schätzte er.
Er folgte dem engen Waldpfad mit seiner Last, und es schien ihm, als hätte der seltsame Geruch bereits nachgelassen. Und er hatte kaum noch Angst.
Das Wesen war ruhiger geworden und wimmerte nur noch ganz leise, und obwohl er es nicht sicher sagen konnte, schien es ihm, als ob sich das Ding irgendwie in seine Arme kuschelte – wie ein ängstliches und hungriges Baby.
Der alte Mose erreichte schließlich seine Farm und blieb einen Augenblick draußen im Hof stehen und überlegte, ob er das Ding in die Scheune bringen oder mit ins Haus nehmen sollte.
Er entschloß sich für das Haus, obwohl das Wesen nicht einmal entfernt menschenähnlich aussah.
Er legte es auf sein Bett direkt neben dem Küchenherd. Er zupfte das Laken säuberlich zurecht und legte eine Decke über seinen Patienten, dann ging er zum Herd und schürte das Feuer.
Anschließend rückte er sich einen Stuhl neben das Bett und schaute sich dieses Ding, das er da mit nach Hause gebracht hatte, einmal richtig an. Es war wesentlich ruhiger und schien sich inzwischen sehr viel wohler zu fühlen als da draußen zwischen den Büschen. Er legte die Decke fest um den kleinen Körper, mit einer Sanftheit, die ihn selbst überraschte. Er fragte sich, was es wohl essen mochte, und wenn er es wüßte, wie er es wohl füttern sollte, denn es schien keinen Mund zu haben.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, sagte er. »Du bist gut aufgehoben. Ich werde mich um dich kümmern, so gut ich kann.«
Inzwischen brach der Abend herein, und er blickte aus dem Fenster und sah, daß die Kühe, die er am Nachmittag noch gesucht hatte, inzwischen von selbst nach Hause gekommen waren.
»Ich muß jetzt melken und mich um die anderen Arbeiten kümmern«, sagte der alte Mose. »Aber es wird nicht lange dauern. Ich bin bald zurück.«
Er legte noch ordentlich Holz nach, damit es warm blieb in der Küche, zupfte dem Ding noch einmal die Decke zurecht, und dann nahm er seine Milcheimer und ging zur Scheune hinüber.
Er fütterte die Schafe und Schweine und Pferde, und er melkte die Kühe. Er nahm die frisch gelegten Eier aus den Nestern, verschloß das Hühnerhaus und pumpte einen Eimer Wasser voll.
Dann kehrte er ins Haus zurück.
Es war dunkel geworden, und er entzündete die Öllampe auf dem Tisch, denn er mochte den elektrischen Strom nicht. Er hatte sich rundheraus geweigert, den Vertrag zu unterschreiben, als die Elektrizitätswerke damals ihre Leitungen legten, und einige der Nachbarn hatten ihm das übelgenommen, weil sie ihn für wenig aufgeschlossen hielten. Nicht, daß ihm das etwas ausgemacht hätte.
Er besah sich das Ding auf dem Bett. Es schien ihm nicht viel besser zu gehen, aber viel schlechter auch nicht. Wenn es sich um ein verletztes Lamm oder eine kranke Kuh
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