HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 06/5405
davon erzählt.
Seine Kastenfreunde fielen ihm ein - sie waren in dem vom Warpbeschleuniger entfesselten Chaos
gestorben. Er glaubte noch einmal zu spüren, wie sein kleines Schiff in den Schockwellen hin und her
tanzte, wie ein Bordsystem nach dem anderen ausfiel. Dann der Notruf, die Hoffnung, daß Hilfe kam -
bevor sich die Sauerstoffreserven erschöpften. Und als Verzweiflung alles andere verdrängte, als der
Tod unvermeidlich schien, begann er mit dem Ritual des Sha-tsehf des Großen Läuterns. Damit
bereitete er Körper und Seele auf die Nachwelt vor. Anschließend wartete er auf das Ende.
Etwas linderte den Schmerz dieser Reminiszenzen.
Es fühlte sich fast so an, als gehörten die Erinnerungen jemand anders, als hätte er die Ereignisse mit
Hilfe der Kopfstiele einer anderen Person wahrgenommen. Daß sie sich tatsächlich zugetragen hatten -
daran bestand kein Zweifel.
Wieviel Zeit war verstrichen? Sozoas setzte sich langsam auf, während die Kopfstiele von einer Seite
zur anderen kippten, ihm einen genauen Eindruck von der Umgebung vermittelten. Es gab keine
Uhren, die für Vibrationen in den Luftströmen sorgten und ‘ihm mitteilten, wie früh oder spät es war.
Es fehlten auch Strukturmuster, die einzelne Objekte sowie ihren Inhalt beschrieben.
60
Bewegung weckte seine Aufmerksamkeit. Eine Gestalt näherte sich, und Sozoas identifizierte sie als
Freund Kes. Ein unangenehmes Gefühl des Verlustes : stellte sich ein, als er sich daran entsann, diese
Person auf eine ganz andere Weise wahrgenommen, sie >gesehen< zu haben. Nur einige Minuten lang
verfügte er über diesen Sinn, doch er hatte diese kurze Phase der erweiterten Sinneswelt als wundervoll
empfunden. Farben, Tiefe, Schatten… Solche Konzepte erschienen ihm jetzt wieder überaus fremd,
obwohl ihre Bedeutung in greifbarer Nähe lag.
»Wie geht es Ihnen?« fragte Freund Kes.
Die Worte klangen sonderbar, eigentümlich monoton und atonal. Sie enthielten nicht einmal die
Hälfte der vielen Vibrationen, die Sozoas bei einem normalen Gespräch verwendet hätte.
Erstaunlicherweise verstand er sie trotzdem - eine Umstand, der neuerliche Verwirrung bewirkte. Nie
zuvor war er solchen fremden Geschöpfen begegnet, woraus sich die Frage ergab: Wieso verstand er
ihre Sprache?
Auch das habe ich Freund Tuvok zu verdanken. Er erinnerte sich an die Einheit mit ihm; und an ein
Phänomen namens Farben, das Strukturmustern eine faszinierende Eigenschaft hinzufügte und ihm
ganz neue Wahrnehmungshorizonte erschloß. Freund Kes hatte blaue und schwarze Kleidung
getragen. Und ihr Haar… ein blasses Gelb. Blond. Bei Freund Doktor war die Kleidung blau und
schwarz; auf seinem Kopf wuchs nur wenig Haar. Gedächtnis und Phantasie erweiterten das vertraute
Wahrnehmungsbild nun mit diesen exotischen Details.
Die Einheit mit Freund Tuvok konnte logischerweise nicht ohne konkrete Auswirkungen geblieben
sein, fand Sozoas. Er hatte von dem Vulkanier gelernt, und umgekehrt verhielt es sich ebenso. Zwei
Selbstsphären, die sich gegenseitig neue Erfahrungen ermöglichten.
Oder begann auf diese Weise das Leben nach dem Tod? Nein, das hielt der Sperianer für sehr
unwahrscheinlich. Freund Tuvok war Teil seines Universums gewesen - das wußte er aufgrund der
Einheit. Ein Raumschiff namens Voyager - es kam aus einem anderen Teil der Galaxis, dem
sogenannten Alpha-Quadranten - hatte ihn gerettet, bevor sich das Sha-tseh erfüllte.
»Verstehen Sie mich?« fragte Freund Kes. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Sozoas?«
Kommunikation. Darum ging es nun. Die beiden Zungen im Mund des Sperianers zuckten, als sie
versuchten, die bei den Fremden gebräuchlichen Silben zu formen.
»Es… geht… mir… gut.« Ein seltsames Zwitschern untermalte die Worte, doch Freund Kes schien ihn
zu verstehen. Sie seufzte und lächelte. Die Struktur der Zähne, die Art und Weise, wie sich Falten in
den Mund- und Augenwinkeln formten… Es >sah< gut aus.
»Sie sprechen unsere Sprache!« entfuhr es Freund Kes erfreut. »Ich… muß… zu… Freund… Tuvok…
bitte?« Er rollte eine Zunge um die andere und dachte dabei: Bestimmt komme ich bald besser mit
dieser sonderbaren Verständigungsmethode zurecht. Er brauchte nur ein wenig Übung. Die Sprache
der Fremden erschien ihm geradezu lächerlich einfach, denn immerhin bestand sie aus weniger als
hundert unterschiedlichen Lauten. Vielleicht ergaben sich weniger Schwierigkeiten für ihn, wenn er
beim Sprechen nur die
Weitere Kostenlose Bücher