HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 06/5405
untere Zunge benutzte und nicht auch die obere.
»Er wird bald hier sein«, erwiderte Freund Kes. »Bitte haben Sie ein wenig Geduld. Ich hole rasch den
Doktor.« Sie drehte sich um und eilte zu einer kabinenartigen Vorrichtung in der Mitte des Raums.
Sozoas beobachtete, wie sie ging: Ihre Bewegungen wirkten fließend, und die Arme schwangen vor und
zurück. Er fragte sich, wie sie trotz der langen Schritte - und dem damit verbundenen großen Abstand
zwischen den Beinen - das Gleichgewicht wahren konnte.
61
Kurz darauf kehrte Freund Kes in Begleitung eines außergewöhnlich glatten Individuums zurück.
Freund Doktor trug einen kleinen, ebenfalls glatten Kasten und richtete ihn auf Sozoas. Ein
Freundschaftsgeschenk? Der Kasten vibrierte leicht. Als der Sperianer danach greifen wollte, berührte
Freund Kes seine Hände und drückte sie sanft nach unten. Wollte sie eine Verbindung eingehen? Die
Logik verbot eigentlich, daß sie sich selbst offerierte: Zwar wußte er aufgrund von Freund Tuvoks
Erinnerungen, daß sie weiblichen Geschlechts war, aber sie nahm nicht die richtige Bindungshaltung
der ersten oder zweiten Frau ein. Sozoas streckte ihr alle sechs Kopfstiele entgegen. Sie schien ihn
nicht zu verstehen und bot auch keine Erklärung an. Ich bin unter Fremden, dachte er. Vielleicht
gelten hier ganz andere Maßstäbe.
»Ihre… Hände…«, begann er. »Sind… Sie…« »Warten Sie«, sagte die Frau sanft. »Der Doktor sondiert
Sie, um festzustellen, ob mit Ihnen alles in Ordnung ist.«
»Danke… Freund Kes«, erwiderte Sozoas. Er hatte die Berührung falsch interpretiert - es steckten
keine speziellen Absichten hinter dem physischen Kontakt. Der Sperianer fragte sich, welche
Paarungsrituale es bei diesen Humanoiden geben mochte, und daraufhin fiel ihm das vulkanische Pon
farr ein. Das rituelle Akzeptieren einer Partnerschaft oder Kampf, um wenigstens vorübergehend die
sexuelle Kooperation der Partnerin zu gewinnen. Interessant. Als Sozoas genauer darüber nachdachte,
ergab alles einen Sinn. Angesichts ihrer strengen Rationalität brauchten die Vulkanier dann und wann
ein emotionales Ventil; dafür bot sich insbesondere die Paarungszeit an. Was Freund Kes betraf… Sie
hatte nicht gewußt, was es bedeutete, die Hände eines Mannes zu berühren. Bei den Sperianern war es
ein Zeichen dafür, daß die Frau eine zweijährige Werbungsphase beginnen wollte, um die Gunst des
Auserwählten zu gewinnen.
»Es scheint Ihnen recht gut zu gehen«, sagte Freund Doktor nach einer Weile und ließ den Kasten
sinken. »Können Sie aufstehen?«
»Ja.« Sozoas schwang die Beine über den Rand der Medo-Liege, und zwei Sekunden später stand er.
Die Kopfstiele reichten Freund Kes bis zum Kinn und dem Freund Doktor bis zur Brust. Langsam
drehte er sich, um zu zeigen, daß mit seinem Körper alles in Ordnung war. Er hob die Arme, beugte
jedes einzelne Gelenk und verneigte sich schließlich. »Sie haben… mich gut… gepflegt, Freund Doktor.«
»Darin besteht meine Pflicht. Benötigen Sie irgend etwas? Möchten Sie etwas zu essen oder zu trinken.
« »Vielleicht ein wenig…« Sozoas zögerte. »Wasser?« Tuvok verspeiste gerade den Rest des
verosanischen Gulaschs, als sein Insignienkommunikator piepte. Es war eine köstliche Mahlzeit. Die
Farbe der Obst- und Gemüsestücke gefiel ihm ebenso wie der Geschmack. Erst jetzt merkte er, welche
große Rolle Farben bei Nahrungsmitteln spielten - sie steigerten den kulinarischen Genuß, wie er nun
wußte.
Geistesabwesend aktivierte er das kleine Kom-Gerät. »Hier Tuvok.«
»Hier Janeway«, hörte er die Stimme des Kastenoberhaupts. »Dr. Zimmerman hat mir gerade
mitgeteilt, daß der Sperianer erwacht ist. Bitte kommen Sie zur Krankenstation.«
»Ich bin unterwegs«, sagte Tuvok und erhob sich.
Tom Paris blieb vor Marta Dvoraks Kabine stehen und zögerte. Bisher war er bei ihr nie sehr weit
gekommen, aber diesmal hatten sie einen besonders anstrengenden Tag hinter sich: der Kampf gegen
drei feindliche Raumschiffe, Lecks, Schwierigkeiten mit der künstlichen Gravitation… Er spürte noch
immer die Anspannung in den Nacken- und Rückenmuskeln. Er wollte abschalten, auf andere
Gedanken kommen - und vermutlich ging es Marta ähnlich. Es sollte doch möglich sein, sich
gemeinsam zu entspannen. Seltsam: Etwas in Martas Gesicht, ihren Augen und der Stimme lockte ihn
ebenso an wie das Licht eine Motte.
Paris traf eine Entscheidung. Jetzt oder nie. Er
Weitere Kostenlose Bücher