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HHhH

HHhH

Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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Deutscher, erscheint im Operationssaal. Er will wissen, was vor sich geht, und erblickt Heydrich. Sofort schlägt er die Hacken zusammen und ruft: «Heil!» Dann fahren sie mit der Untersuchung fort. Die Niere wurde nicht getroffen, die Wirbelsäule auch nicht, die vorläufige Diagnose gibt Anlass zur Hoffnung. Auf einer Rollbahre wird Heydrich zum Röntgen gefahren. SS-Männer besetzen derweil die Krankenhausflure. Erste Sicherheitsmaßnahmen werden getroffen: Zum Schutz der Scharfschützen werden alle Außenfenster mit weißer Farbe bepinselt, und auf dem Dach werden Maschinengewehre in Stellung gebracht. Und selbstverständlich werden die störenden Kranken entfernt. Heydrich erhebt sich von der Bahre und schreitet, sichtlich um Haltung bemüht, ohne Hilfe zum Röntgengerät. Die Röntgenaufnahme zeigt weitere Verletzungen: Eine Rippe ist gebrochen, das Zwerchfell hat einen Riss, der Brustkorb ist stark in Mitleidenschaft gezogen. In der Milz ist irgendetwas stecken geblieben, ein Bombensplitter oder ein Metallteil von der Karosserie. Der deutsche Arzt beugt sich über den Verletzten:
    «Herr Protektor, wir werden zu einem ernsteren Eingriff schreiten müssen.»
    Heydrich ist leichenblass und schüttelt den Kopf – er verlangt nach einem Arzt aus Berlin. Der Arzt versichert jedoch, dass sein Zustand einer sofortigen Intervention bedürfe. Heydrich denkt nach. Er weiß, dass sein Leben auf dem Spiel steht, die Zeit gegen ihn arbeitet, und stimmt zu, den besten Spezialisten der deutschen Klinik in Prag kommen zu lassen. Er wird unverzüglich in den Operationssaal zurückgefahren. Karl Hermann Frank und die ersten Mitglieder der tschechischen Regierung treffen im Krankenhaus ein. Das kleine Hospital erfährt einen Ansturm wie nie zuvor und auch danach nie wieder.
    Kubiš dreht sich immer wieder um. Es folgt ihm niemand mehr. Er hat es geschafft. Doch was genau hat er geschafft? Jedenfalls nicht, Heydrich zu töten. Der schien in bester Form zu sein, als er selbst die Flucht ergriff und Gabčik allein ließ, der wegen seiner nutzlosen Sten in ernsthaften Schwierigkeiten steckte. Und was die Gefahr angeht, konnte er sich zwar vorübergehend in Sicherheit bringen, ist sich aber im Klaren darüber, dass sich die Lage jederzeit ändern kann. Die Hetzjagd kann jede Minute beginnen, und seine Beschreibung wird nicht allzu kompliziert sein: ein Mann mit Fahrrad, der im Gesicht verletzt ist. Viel auffälliger geht es nicht. Ein weiteres Dilemma, für das er eine Lösung finden muss: Das Fahrrad ermöglicht ihm, mobil zu sein und sich so schnell wie möglich aus dem Sektor des Attentats zu entfernen. Doch es macht ihn deutlich verdächtiger und erhöht die Gefahr, kontrolliert zu werden. Kubiš beschließt, das Fahrrad loszuwerden. Während er in die Pedale tritt, überlegt er. Er umfährt den Ort des Attentats und stellt das Fahrrad vor dem Schuhgeschäft Bata im alten Stadtteil Libeň ab. Es wäre vorteilhafter gewesen, den Sektor zu verlassen, doch jede Sekunde, die er auf der Straße verbringt, erhöht das Risiko, gefasst zu werden. Daher beschließt er, bei seinem nächstgelegenen Kontakt Unterschlupf zu suchen, der Familie Novák. Er betritt ein Gebäude mit Arbeiterunterkünften und eilt die Treppe in großen Sprüngen hinauf. Eine Nachbarin hält ihn auf: «Suchen Sie jemanden?» Kubiš versucht, mehr schlecht als recht, sein Gesicht zu verdecken.
    «Frau Nováková.»
    «Sie ist nicht da, ich war aber gerade noch bei ihr, und sie kommt gleich zurück.»
    «Ich werde auf sie warten.»
    Kubiš weiß, dass die mutige Frau Nováková ihre Tür nicht abschließt, damit er und seine Freunde jederzeit hereinschneien können. Er betritt die Wohnung und wirft sich aufs Sofa. Die erste winzige Atempause an diesem sehr langen und strapaziösen Morgen.
    Das Krankenhaus im Vorort Bulovka ähnelt mittlerweile einer Mischung aus Reichskanzlei, Führerbunker und Gestapo-Einsatzzentrale. Die SS-Kommandotruppen, die um, im, auf und unter dem Gebäude aufgestellt wurden, könnten es mühelos mit einer sowjetischen Panzerdivision aufnehmen. Man wartet auf die Ankunft des Chirurgen. Frank, der ehemalige Buchhändler aus Karlovy Vary, raucht eine Zigarette nach der anderen, als sei er im Begriff, Vater zu werden. Er grübelt vor sich hin: Sie werden Hitler informieren müssen.
    In der Stadt macht man sich zum Gefecht bereit: Es scheint, als sei jeder, der in Prag eine Uniform trägt, von dem Impuls erfasst, kopflos umherzurennen. Die

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