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brennt: «Hast du etwas damit zu tun?» Valčík zwingt sich zu einem Lächeln. «Ausgerechnet ich? Ich habe zu schwache Nerven für so was!» Sie hatte bereits Gelegenheit, zu erfahren, aus welchem Stoff dieser Mann gestrickt ist, daher versteht sie sofort, dass er lügt. Valčík tut das übrigens nur aus Reflex und nicht, weil er hofft, dass man ihm Glauben schenkt. Frau Moravec bemerkt nicht sofort, dass er humpelt, erkundigt sich aber, ob er irgendetwas benötigt. «Einen sehr starken Kaffee, bitte.» Außerdem fragt Valčík, ob es möglich sei, jemanden in die Stadt zu schicken, der ihm berichten kann, was dort erzählt wird. Dann nimmt auch er ein entspannendes Bad, weil ihm die Beine wehtun. Das Ehepaar nimmt an, dass er zu viel gelaufen ist. Erst am nächsten Morgen finden sie Blutspuren auf seinem Bettlaken, und ihnen wird klar, dass er verletzt wurde.
Gegen Mittag trifft der Chirurg im Krankenhaus ein und beginnt unverzüglich mit der Operation.
Um Viertel nach zwölf springt Frank über seinen Schatten und ruft Hitler an. Wie erwartet ist der Führer alles andere als erfreut. Am schlimmsten wird es, als Frank ihm gegenüber zugeben muss, dass Heydrich in einem ungepanzerten Mercedes mit offenem Verdeck und ohne Eskorte unterwegs war. Am anderen Ende der Leitung ertönt zur Abwechslung mal wieder lautes Gebrüll. Hitler kreischt aus zweierlei Gründen: Zum einen wird diesen räudigen Hundehaufen, aus dem das tschechische Volk besteht, seine Tollkühnheit teuer zu stehen kommen. Und wie konnte zum anderen Heydrich, sein bester Mann, ein Mann von derartiger Tragweite, einer solchen Bedeutung für das reibungslose Funktionieren des gesamten Reiches, jawohl, des gesamten Reiches, dermaßen dämlich sein, eine derart sündhafte, ja sündhafte, Nachlässigkeit an den Tag zu legen! Es gibt eine einfache Lösung: Auf der Stelle müssen
1. 10 000 Tschechen erschossen werden.
2. 1 000 000 Reichsmark als Belohnung für jeden ausgesetzt werden, der zur Verhaftung der Kriminellen beiträgt.
Hitler hatte schon immer ein Faible für Zahlen, besonders für runde.
Am Nachmittag geht Gabčik in Begleitung von Libena (ein Pärchen wirkt immer unverdächtiger als ein einzelner Mann) einen Tirolerhut kaufen – um als Deutscher durchzugehen –, einen kleinen grünen Hut mit Fasanenfeder. Und er kann sich direkt von der Wirkung seiner Verkleidung überzeugen: Ein SS-Mann in Uniform ruft ihn herbei. Und bittet ihn um Feuer. Feierlich holt Gabčik sein Feuerzeug hervor und steckt ihm die Zigarette an.
Auch ich mache mir eine an. Ich fühle mich ein wenig wie ein schreibsüchtiger Depressiver, der durch Prag irrt. Ich werde vielleicht eine kleine Pause machen.
Allerdings keine lange. Der Mittwoch muss weitergehen.
Kommissar Pannwitz, der Mann mit dem schwarzen Mantel aus dem Krankenhaus, den die Gestapo zum Auskundschaften ausgesandt hatte, ist mit den Ermittlungen betraut. Nach Sichtung der Beweise am Tatort – eine Sten und eine Tasche mit einer panzerbrechenden Bombe aus englischer Fabrikation – ist es kein Mysterium mehr, wo das Attentat ausgeheckt wurde: in London, ganz klar. Er erstattet Frank Bericht, der Hitler ein weiteres Mal anruft. Das Attentat ging nicht von der inneren Widerstandsbewegung aus. Frank rät von massiven Repressalien ab, da sie den Eindruck vermitteln würden, es existiere eine starke Opposition innerhalb der lokalen Bevölkerung. Gezielte Hinrichtungen Verdächtiger oder Komplizen und ihrer Familien seien die geeignete Maßnahme und würden keine übertriebenen Vorstellungen vom Ausmaß des Ereignisses aufkommen lassen. Eine von Einzelpersonen durchgeführte und im Ausland organisierte Aktion. Es geht zuvorderst darum, in der Öffentlichkeit den unangenehmen Eindruck zu vermeiden, dass es sich um eine nationale Revolte handle. Erstaunlicherweise lässt sich Hitler von Franks Argumentation überzeugen, relativ gemäßigt vorzugehen. Massive Repressalien werden zunächst unterlassen. Doch sobald er den Hörer aufgelegt hat, macht Hitler seinem Ärger bei Himmler Luft. Die Tschechen mögen Heydrich also nicht? Dann wird man ihnen eben einen noch Schlimmeren vorsetzen. An dieser Stelle entsteht eine nachdenkliche Zwangspause, denn einen Schlimmeren als Heydrich zu finden, ist schwierig. Hitler und Himmler zerbrechen sich den Kopf. Es gibt zwar einige hochrangige Mitglieder der Waffen-SS, die geeignet scheinen, um ein ordentliches Gemetzel zu organisieren, doch sie sind alle an der
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