Hibiskusblüten
Statt dessen spionieren Sie mir nach. Glauben Sie denn im Ernst...“
„Verzeihung, gnädige Frau — was ich glaube oder nicht glaube, das steht im Augenblick gar nicht im Programm. Sie haben einen furchtbaren Fehler gemacht, und ich möchte mit Ihnen darüber sprechen, wie wir ihn wieder ausbügeln können.“
„Einen Fehler? Ich? Wieso?“
„Sie haben Mister Buttom veranlaßt, davonzulaufen.“
„Ja“, sagte sie, „das habe ich getan. Ich weiß genau, daß der Verdacht auf Franky fallen wird. Sie selbst sagten mir, daß man ihn mit meinem Wagen dort gesehen hat. Ich habe ihm geraten, für kurze Zeit zu verreisen, und ich hoffe, daß bis dahin alles geklärt sein wird.“
Ich schüttelte langsam den Kopf.
„Nein nein, Mrs. Buttom — so ist das leider nicht. Sie hatten mir versprochen, nichts zu unternehmen, ohne es mir vorher zu sagen. Nun haben Sie der Polizei erst recht einen billigen Erfolg verschafft. Es ist klar, daß man sich zunächst einmal in Dinahs nächster Umgebung umsehen wird. Man wird dann finden, daß Franky Buttom ausgerissen ist. Und dann wird man laut verkünden, er sei der Mörder. Seine Flucht stempelt ihn zum Schuldigen. Die Polizei wird das mit großer Freude und Lautstärke in die Welt hinausposaunen, auch dann, wenn sie gar nicht davon überzeugt ist, daß Franky wirklich der Mörder ist. Mit solchen Blindgängern kann man nämlich die Presse und die Öffentlichkeit eine gute Weile beruhigen und hinhalten, und hat dann desto mehr Zeit und Ruhe, den tatsächlichen Mörder zu suchen. Für die Beteiligten aber ist das auf keinen Fall angenehm. Wenn sie ihn erwischen, wird er selbstverständlich eingelocht. Und wenn die Polizei dahinterkommt, daß Sie selbst Franky gewarnt haben, und daß ich es war, der Ihnen alles erzählt hat, dann sperren sie uns dazu. Wer soll denn dann nach Eve suchen?“
„Die Polizei“, sagte sie. Ihr Blick ging an mir vorbei.
„Ja ja, die Polizei!“ sagte ich. „Die wird sich dann ein Bein ausreißen, um das Kind zu suchen! Man wird Ihnen und Franky haargenau nachweisen, daß ihr beide das Kind selbst versteckt habt — und inzwischen hat der Mörder freie Hand, Wo ist Franky?“
Wir hatten uns bisher gegenübergestanden. Nun setzte sich Mary-Ann und starrte vor sich auf den Boden.
„Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll“, sagte sie leise. „Es ist nun schon soviel Zeit vergangen, seit Sie zum erstenmal hier waren, und Sie sind noch keinen Schritt weitergekommen. Sie wissen nicht, wer die Blüten gestohlen hat, Sie haben nichts über den Tod meiner Mutter oder meines Onkels erfahren können, Sie konnten es nicht verhindern, daß Dinah getötet wurde, und Sie wissen nicht, wo Eve ist. Und da soll ich noch an Ihre Hilfe glauben?“
Es hatte eigentlich nicht bitter geklungen, sondern nur verzweifelt, und derartige Vorwürfe waren für mich nichts Neues. Trotzdem sagte ich ziemlich scharf: „Und wann haben Sie, Mrs. Buttom, mir zum erstenmal reinen Wein eingeschenkt? — Kennen Sie Dinahs Fotoalben?“
„Fotoalben? Nein, ich kann mich nicht erinnern.“
„Hat sie Ihnen niemals Fotos gezeigt?“
„Nein — warum?“
„Ich möchte es nur wissen“, wich ich aus. „Und nun bitte ich Sie, mit mir zur Polizei zu gehen.“
„Weshalb?“ fragte sie erschrocken.
„Erstatten Sie bei der Polizei eine Anzeige wegen Mordes an Ihrem Onkel, Entführung Ihrer Tochter, und beantragen Sie eine Obduktion der Leiche.“
Sie machte eine abwehrende, müde Handbewegung.
„Ach — wozu denn“, sagte sie, „das nützt ja doch nichts. Onkel Joshua ist in einem der größten Krankenhäuser, betreut von den Ärzten, gestorben, und sie sagen, es sei Lungenentzündung gewesen. Wozu ist da eine Obduktion nötig? Und warum soll ich jetzt auf einmal der Polizei sagen, daß Eve verschwunden ist? Sie sagten doch, ich solle...“
„Alles ändert sich“, unterbrach ich sie. „In solchen Fällen muß man seine Entscheidungen oft umstoßen. Es ist zu spät, wir können der Polizei nichts mehr verheimlichen.“
„So?“ machte sie nur. Ich wußte nicht genau, ob sie mir überhaupt zugehört hatte.
„Warum soll eine Obduktion stattfinden? Versprechen Sie sich davon, daß Sie dann Eve schneller finden können?“
„Vielleicht.“
„Mein Gott, ich — ich weiß nicht —, ich weiß wirklich nicht mehr, was ich tun soll. Ich weiß nicht mehr, was Recht oder Unrecht ist, ich weiß gar nichts mehr. Was soll ich also tun?“
„Franky sofort zurückholen und
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