Hier und jetzt
entdeckte.
Er drehte sich nicht um, als sie aufstand. „Geh wieder ins Bett, Claire. Ich wollte dich nicht wecken.”
Sie ging trotzdem zu ihm und legte die Arme um ihn. Seine Haut war kalt. Er stand schon länger hier. „Was ist denn?”
„Nichts”, wehrte er ab und strich ihr über den Rücken.
„Machst du dir wegen des Stellar-Geschäfts Sorgen?” Sie wusste, sie sollte der Heirat mit ihm zustimmen oder ihn freigeben, damit er sich eine andere Frau suchte. Doch sie brachte weder das eine noch das andere über sich.
„Nein. Du brauchst dich nicht zu sorgen.” Sachte streichelte er ihre Wange.
Sie schauderte, doch das hatte nichts mit der kühlen Luft zu tun. „Nach dem Feuer, das wir entfacht haben, solltest du vor Erschöpfung schlafen. Dich bedrückt etwas. Kannst du mir nicht verraten, worum es geht?”
Er wich ihrem Blick aus. „Es ist der Regen. Ich habe Regen stets gehasst.”
„Wieso?”
Er antwortete so lange nicht, dass sie schon dachte, er würde gar nichts sagen. Dann war seine Stimme so leise, dass sie ihn kaum hörte.
„Es regnete an dem Tag, an dem meine Mutter starb. Ich wartete am Fenster auf sie und blickte in den Regen hinaus. Sie verspätete sich, und ich war zornig auf sie.”
„Jacob”, flüsterte Claire.
„Wir wollten etwas unternehmen, aber es regnete, und sie verspätete sich. Ich wusste, dass wir es nicht schaffen würden. Trotzdem habe ich gewartet. Schließlich kam ein Polizeiauto.”
Sie schloss die Augen und drückte ihn fest an sich. Er hatte ihr eine Erinnerung anvertraut, ein Stück von sich selbst. „Die Polizei kam auch zu uns, als mein Vater starb. Ich erinnere mich sehr genau daran.”
„So etwas vergisst man nicht”, flüsterte er und streichelte ihr Haar.
Sie wollte ihn trösten, doch nun tröstete er sie. „Einer der Polizisten war noch so jung, dass er einen Pickel am Kinn hatte. Ich erinnere mich daran und an den Geruch des Schmorbratens, den meine Mutter vorbereitet hatte. Selbst heute kann ich keinen Schmorbraten riechen. Ich war völlig sicher, dass sie im falschen Haus und bei der falschen Familie waren. Der Tote konnte nicht mein Vater sein.”
Er drückte die Wange an ihren Kopf. „Ich konnte es zuerst auch nicht glauben. Vielleicht hätte ich es begriffen, hätte man mich zum Begräbnis gehen lassen. So wartete ich am nächsten Wochenende wieder auf meine Mutter - und am darauf folgenden. Ich dachte, ich hätte mich bloß im Wochenende geirrt und musste nur geduldig warten. Dann würde sie schon wieder kommen. Erst als Ada merkte, wie viel Zeit ich samstags am Fenster verbrachte, sprach sie mit mir.” Er schüttelte leicht den Kopf. „Nicht sonderlich klug von mir, nicht wahr?”
Wie gern hätte sie den kleinen Jungen von damals in die Arme genommen. Sie konnte jedoch nichts weiter tun, als den Mann zu umarmen, zu dem er geworden war. „Du warst doch erst fünf.”
Sie schwiegen eine Zeit lang, standen eng umschlungen am Fenster und sahen zu, wie Regentropfen über die Scheiben liefen.
Es war kühl. Claire fröstelte.
„Dir ist kalt”, stellte er fest. „Ich hätte dich gleich wieder ins Bett bringen müssen. “
„Ohne dich gehe ich aber nicht, du harter Kerl. Du frierst nämlich auch, falls du es nicht bemerkt haben solltest.”
Lächelnd begleitete er sie, und als sie endlich nebeneinander lagen, wärmten sie sich gegenseitig unter der Decke. Claire war erschöpft, schläfrig und auch glücklich. Jacob war jetzt entspannt und drückte sie an sich. Und plötzlich kamen die Antworten auf ihre Fragen ganz von selbst.
Sie liebte ihn. Sie war gut für ihn oder konnte es zumindest sein. Lächelnd berührte sie sein Haar. „Ja, die Antwort ist Ja.”
Er verkrampfte sich erneut und wartete.
Sie bekam Herzklopfen. „Ja”, wiederholte sie atemlos. „Ich werde dich heiraten, wenn du mich noch haben willst.”
„Claire!” Er presste sie hart an sich. „Claire, du wirst es nicht bereuen, dafür werde ich sorgen.” Sein Kuss fiel sanft und hingebungsvoll aus. „Morgen suchen wir die Ringe aus.”
„Diamanten”, erklärte Jacob und wandte sich an Claire. „Sofern das für dich in Ordnung geht.”
Sie nickte stumm. Sie hatten am kühlen, späten Winternachmittag den Wagen abgestellt.
Der Juwelierladen wirkte ebenfalls kühl.
„Diamanten sind eine ausgezeichnete Wahl”, versicherte der Juwelier. „Wenn Sie mir folgen wollen.”
„Martin’s” stand auf dem Messingschild im Schaufenster des Ladens. Der
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