High Heels und Gummistiefel
und seinen engsten Freunden. Danach wollte er mit Daisy übers Wochenende nach Deauville fahren.
Obwohl sie bereits ein paar von Raouls zahlreichen Freunden kennengelernt hatte, war Daisy seinen engsten Vertrauten noch nicht vorgestellt worden, jenen Leuten, die er als seine »Familie« bezeichnete. Sie war neugierig, was das wohl für Menschen sein würden – höchstwahrscheinlich ein Haufen extrovertierter Machos, alle ebenso versessen auf Rugby wie er! Die Dinnerparty würde eine willkommene Abwechslung sein. Sie war in letzter Zeit so lustlos wie noch nie gewesen, was sie beim besten Willen nicht verstand. Auch der seltsame Traum machte ihr nach wie vor zu schaffen.
Fast jede Nacht wanderte sie durch die dunklen, verlassenen Straßen von Paris und suchte voller Angst nach irgendetwas – oder irgendjemandem -, nach dem sie sich heftig sehnte, das oder den sie jedoch nie finden konnte. Wenn sie nur dahinterkommen könnte, was der Traum zu bedeuten hatte!
Als es am Abend seines Geburtstagsdinners zum ersten Mal klingelte, war Raoul noch beim Rasieren, und es war Daisy, die öffnete. Auf dem Treppenabsatz, beladen mit einem Haufen in rosagoldenes Papier eingewickelter Geschenke, einem Blumenstrauß und einer mit Alufolie bedeckten großen Auflaufform (denn Raoul, der nichts davon hielt, Zeit mit Kochen zu verschwenden, wenn er sich ebenso gut amüsieren konnte, hatte in weiser Voraussicht jeden seiner Gäste gebeten, einen anderen Gang des Abendessens mitzubringen), standen zwei umwerfend hübsche Mädchen. Daisy hatte den vagen Eindruck, dass sie den beiden irgendwo schon einmal begegnet war.
»Salut! Du bist Daisy, stimmt’s?«, rief die eine, eine Blondine mit breitem Lächeln. »Ich bin Natacha.«
»Und ich bin Stephanie. On a apporté des lasagnes.«
»Oh, super! Vielen Dank«, antwortete Daisy und trug die Auflaufform in die Essnische in der Küche. Die Mädchen folgten ihr und entledigten sich dabei ihrer Mäntel. Beide trugen Kleider, die extrem sexy waren, und Schuhe mit schwindelerregend hohen Absätzen, stellte Daisy fest. Natacha, die mit den blauen Augen und einer spektakulären goldenen Lockenmähne, machte sich sofort daran, den Ofen auf die richtige Temperatur einzustellen. Währenddessen öffnete Stephanie, eine junge Frau mit südländischem Teint, die eine knallrote Afro-Perücke und riesige goldene Ohrreifen trug, den Kühlschrank, den Raoul bis zum Anschlag mit Magnumflaschen Rosé-Champagner gefüllt hatte. Sie zog eine heraus und öffnete sie mit nonchalanter Flinkheit, die von jahrelanger
Übung zeugte. Daisy holte Gläser vom Küchentresen, und Stephanie machte sich ans Einschenken.
»So, Daisy«, meinte sie, »du bist also Raouls berüchtigte petite chérie anglaise!«
»Santé!« Natacha ließ ihr Glas sachte gegen das von Daisy klirren. »Schön, dich endlich kennenzulernen.«
»Danke«, erwiderte Daisy, gerührt von ihrer Freundlichkeit. »Dann sind wir uns also noch nie begegnet?«, erkundigte sie sich zögernd. »Weil, ich dachte, vielleicht doch.«
Wieder klingelte es.
»Ich mach schon auf, Baby«, rief Raoul aus seinem Zimmer.
Kurz darauf kam er in die Küche. Er trug Jeans und ein weißes Hemd, das bis zum Nabel offen stand, und bildete das zentrale Element einer Schar überschwänglicher junger Frauen – vier neue Gäste waren eingetroffen; sie umarmten ihn heftig und johlten dabei die ganze Zeit aufgeregt:
»Ouais! C’es t fête!«
» On va s’éclater ce soir!«
»C’est trop!«
»Wou-hou!«
Natacha und Stephanie verteilten Champagnergläser, und Daisy wurde vier weiteren Glamour-Mädchen vorgestellt: Lola, Vanessa, Karine und Nathalie. Alle waren mächtig aufgedonnert und rochen wunderbar. Es war seltsam, dachte Daisy, während sie die Neuankömmlinge betrachtete, sie hatte das komische Gefühl, diese vier auch schon mal irgendwo gesehen zu haben. Raoul packte Schüsseln mit taboulé, salade au Roquefort , Chili con carne und mousse au chocolat aus und küsste jede Köchin auf die Wange. Lola, die einen hautengen Pailetten-Catsuit mit Overknee-Boots trug, und Karine, in einem silbernen Minikleid mit elegantem Faltenwurf und Stilettos, gingen zur Juke-Box hinüber. Bei den ersten Klängen von
»Macarena« erhob sich in jeder Ecke von Raouls Wohnzimmer begeistertes Quietschen, und sämtliche jungen Frauen sprangen auf, bildeten eine Reihe und hüpften gemeinsam zu dem Lied, die Hände in die Hüften gestemmt.
Raoul nahm Daisy bei der Hand. »Komm, wir
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