High Heels und Gummistiefel
glaube, ich würde dieses Wochenende lieber doch nicht wegfahren.«
»Nein?« Mit besorgter Miene setzte Raoul sich neben sie. »Was ist denn los, Daisy? Hast du zu viel Champagner abgekriegt? Fühlst du dich nicht gut? Keine Angst, Baby, leg dich hin, ich verpasse dir meine ganz spezielle Fußmassage.«
»Nein, es ist alles okay. Danke. Es ist nur...« Daisy stockte. Wie sollte sie am besten erklären, was sie empfand? »Raoul, sind deine Geschichten alle von Exfreundinnen inspiriert?«
Raoul grinste. »Ja, ein bisschen.«
»Das dachte ich mir. Weißt du, du hättest mich ruhig warnen können, dass alle Gäste heute Abend Ehemalige von dir sind.«
»Oh, aber so denke ich doch gar nicht mehr über sie. Wir sind alle einfach wirklich gute Freunde.«
»Na ja, es ist so«, sagte Daisy und sah ihn ernst an. »Ich glaube, genau das sind wir beide auch: einfach nur richtig gute Freunde.«
Raoul schien überrascht. »Wieso sagst du das?«
»Ich meine... weißt du noch, deine Idee für dein nächstes Heft, mit mir als nymphomanischem Cheerleader in den Fünfzigern?«
»M-hm.«
»Sag mir, bei deinen anderen Freundinnen, was kam da zuerst, die Trennung oder dass du sie in einer Geschichte verewigt hast?«
Schweigend starrte Raoul sie an.
Daisy schüttelte bedächtig den Kopf. »Nun ja, so oder so, das heißt, zwischen uns ist es vorbei, nicht wahr?«
»Aber Baby«, protestierte Raoul und nahm ihre Hand, »du verstehst das nicht: Ich liebe dich.«
Daisy seufzte und betrachtete ihn voller Zuneigung. »Ich weiß, Raoul. Aber die Sache ist die... du liebst alle Frauen.«
Raoul öffnete den Mund, um zu widersprechen, dann lächelte er und nickte. »Na ja, äh... ja, das stimmt wohl.«
Daisy begann zu lachen. »Ich meine, nimm doch mal heute Abend: Du bist der einzige Mann, der auf dem Planet der Frauen Zutritt hat! Ich find’s toll, dass du so glücklich bist, aber... das Ganze ist... nicht das Richtige für mich. Tut mir leid.«
»Okay«, antwortete Raoul nach einem Moment. »Bist du sicher?«
»Ich bin wirklich, wirklich sicher. Und, Raoul, wegen dieser Cheerleader-Geschichte: Tu einfach, was du willst, okay?«, erwiderte Daisy und umarmte ihn. »Ich möchte deinen kreativen Trieben nicht im Wege stehen.«
Raoul schloss sie seinerseits in die Arme und küsste sie auf den Scheitel. »Du bist sehr lieb. Mach’s gut, Daisy. Pass auf dich auf. Hasta la vista, Baby. See you later, alligator. After a while...«
Also wirklich, Raoul!, dachte Daisy und biss sich heftig auf die Lippe, um nicht loszuprusten.
31
Isabelle
Isabelle war fürchterlich geknickt gewesen, als sie fieberhaft den Stapel mit Merediths Manuskripten durchgesehen und sämtliche Romane vorgefunden hatte – nur nicht The Splodge.
Daraufhin hatte Jules kurzerhand bei Paul Celadon angerufen und ihren allerstrengsten Tonfall angeschlagen. Celadon hatte sich vielmals entschuldigt, verehrte Madam , hatte ihr jedoch versichert, dass sich das fehlende Manuskript nicht in seinem Besitz befände. Gott sei Dank sei es niemals veröffentlicht worden. Soweit es ihm bekannt sei, hätte es immer nur ein Exemplar gegeben, und ein einziger rascher Blick darauf hätte ihn damals davon überzeugt, dass es einfach nicht brauchbar gewesen sei. Er hatte Meredith geraten, dieses wertlose Geschwafel in die Mülltonne zu schmeißen. Seitdem hatte er überhaupt keinen Gedanken mehr daran verschwendet, und über sechzig Jahre später fürchtete er doch sehr, dass ihm nichts davon im Gedächtnis geblieben sei. Er entschuldigte sich abermals, wünschte Jules einen höchst erfreulichen Tag, verehrte Madam, übermittelte Isabelle seine Grüße, beteuerte wiederholt, dass sie die Manuskripte gern behalten könne, und damit hatte es sich.
Am nächsten Morgen rief Isabelle rein instinktiv bei Lucy Goussay an, die einen erregten Freudenschrei ausstieß und noch für denselben Abend eine Sondersitzung der Society anberaumte, als sie hörte, dass Merediths Manuskripte zur Besichtigung freigegeben waren. Solche Begeisterung erwies sich als ansteckend, und Isabelles Stimmung besserte sich dadurch erheblich. Als sie später mit
den Manuskripten, die sie sorgfältig in ihrem kleinen Rollkoffer verstaut hatte, in Hampstead anlangte, wurde ihr eine Begrüßung wie für eine Heldin zuteil.
»Sie haben uns wirklich Ehre gemacht, Izbl«, verkündete Maud und musterte sie über ihre dunkle Brille hinweg mit so etwas wie Wohlwollen.
»Ja, bravo!«, bellte Lucy. »Ha, ha! Ungeheuer mutig
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