High Heels und Gummistiefel
entrüstete sich Raoul zum Schein. »Auf gar keinen Fall!«
»Bei mir«, meldete sich Lola zu Wort und blies eine dünne Fahne Zigarettenrauch aus, »war’s seine Wahnsinnsbegeisterung für Minigolf. Jedes Wochenende mussten wir spielen.«
»Minigolf finde ich immer noch toll«, gab Raoul zu. »Das können wir am Wochenende in Deauville spielen, Baby«, setzte er hinzu und beugte sich zu Daisy herüber. »Ich bringe es dir bei.«
Als erst Vanessa und dann Stephanie ihre eigenen romantischen Erinnerungen vom Stapel ließen, dämmerte es Daisy allmählich.
Sämtliche Mitglieder von Raouls »Familie« waren Exfreundinnen, jede Einzelne.
»Okay, Raoul.« Melodie klopfte mit dem Messer an ihr Glas, um sich die allgemeine Aufmerksamkeit zu sichern. »Bist du bereit für deinen ganz besonderen Geburtstagskuchen?«
»Aber hallo!« Raoul drückte Daisys Hand. Dann wandte er sich an sie und sagte: »Das wird dich umhauen. Lola ist echt eine Wahnsinnskünstlerin.«
Lola, die in der Kochecke letzte Hand an ihre Kreation gelegt hatte, drehte sich um und kam strahlend langsam zum Tresen geschritten, auf dem sie jetzt ein großes, rosa-weißes Gebilde abstellte, umgeben von einem leuchtenden Kerzenkreis.
Wie ein Sirenenchor stimmten die Gäste melodisch »Joyeux Anniversaire « an, und Raoul blies unter großem Einsatz die Kerzen aus.
»Bravo, Raoul! Ouais! Wou-hou! Feeling hot, hot, hot!«, schrien alle und warfen ihre Servietten in die Luft.
Danach konnte Daisy den Kuchen in seiner ganzen Herrlichkeit betrachten. Auf der runden Bodenplatte erhoben sich zwei vollendete Hügel aus weißem Baiserschaum in Gestalt zweier Brüste, einschließlich rosiger, aufrechter Zucker-Brustwarzen. Sprachlos starrte sie sie an.
»Oh«, brachte sie schließlich hervor. »Das ist...«
»Lola, Schatz«, erklärte Raoul feierlich. »Ich meine, wow... das ist wirklich echt extrem. Vielen Dank. Ich bin tief gerührt.«
Champagnergläser klirrten in der Runde und quer über den Tisch aneinander.
» He , Raoul. Ist doch schön, entre nous zu sein, hein?«, sagte Juanita. »Nur unsere kleine Clique.«
»Wisst ihr, woran mich das erinnert?«, fragte Stephanie. Kichernd. »An Planète Femme ! Es ist genau wie in deiner Geschichte.
Als hätten wir komplett die Herrschaft über die Welt übernommen.«
Raoul brüllt vor Heiterkeit. » Allez , les filles! Aber natürlich könnte auch niemand einem so umwerfenden Alien wie dir widerstehen, Steph!«
Mit weit aufgerissenen Augen sah Daisy Stephanie an. Jetzt wusste sie, wo sie sie schon einmal gesehen hatte. Planète Femme! Einer der Gründe dafür, dass sie die Anführerin von Raouls Armee sexbesessener Invasoren nicht erkannt hatte, war vielleicht, dass ihre Haut im richtigen Leben nicht leuchtend blau war. Langsam ließ Daisy den Blick zu Natacha wandern. Jawohl. Wenn man die in ein Kostüm aus dem 18. Jahrhundert steckte, was kam dann dabei heraus? Caroline aus La Filibustière, natürlich! Und was Nathalie anging, das war ganz eindeutig: Sie war die bezaubernde Favoritin des Sultans aus La Sultane. Und so weiter und weiter, bis hinunter zu Vanessa, die, wie Daisy jetzt klar wurde, die Inspiration für Raouls Hauptfigur in seinem jüngsten Œuvre gewesen sein musste, dem psychedelischen Sex-Trip Alice ’69, und demnach auch diejenige, die in seinem Leben ihre unmittelbare Vorgängerin gewesen war. Und die Nächste wäre dann... natürlich sie selbst.
Beim Kaffee blieb Daisy still und in sich gekehrt und war so sehr in Gedanken, dass sie Raouls ratlose Blicke nicht bemerkte. Später, als ein paar der Gäste zu tanzen begannen und andere in der Küche blieben, um Tequila Slammer zu mixen, nutzte Daisy die Partystimmung, um in Raouls Zimmer zu schlüpfen und ihren Mantel und ihre Tasche zu holen.
»Was ist denn los, Süße?«, wollte Raoul wissen, der hereinkam und die Tür hinter sich zumachte. »Du gehst doch nicht etwa?«
»Doch. Ich bin sehr müde.«
»Ach, Baby, geh nicht! Meine Freundinnen sind alle ganz hin und
weg von dir. Willst du denn nicht bleiben und ein bisschen Zeit mit ihnen verbringen?«
»Ich finde, deine Freundinnen sind alle sehr nett. Aber ich muss wirklich gehen.«
»Okay, cool«, sagte Raoul unbeschwert. »Wann sollen wir uns also morgen treffen?«
»Morgen?«, fragte Daisy unbestimmt.
»Um nach Deauville zu fahren. Weißt du nicht mehr?«
»Ach ja.« Daisy setzte sich auf Raouls Bett und sah zu ihm auf. »Raoul, hör zu. Ich weiß, du hast Geburtstag, aber ich
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