High Heels und Gummistiefel
die das Porträt betrachtete, allesamt viel sagende Blicke wechselten.
»Ja!«, stieß Wendy mit bebender Stimme hervor und presste die Hände an den Busen. »Und es gibt doch nichts auf dieser Welt, was kostbarer ist als Sensibilität, nicht wahr, liebe Izbl?«
Betroffen sah Isabelle sie an. »Nun ja, vielleicht. Ich...«
»Was Wendy meint «, sagte Maud scharf, »ist, dass wir dachten,
Sie möchten die Manuskripte vielleicht auch diesem jungen Wiehieß-er-noch-gleich zeigen, Philips Sohn...«
»Tom«, murmelte Isabelle leise.
»Ha! Ja, großartig!«, fiel Lucy ein. »Sehr anständig, das zu tun.«
»Und dann, verstehen Sie, dann wären Sie sogar in der Lage, ihn zu bitten, sich mit seinem Vater in Verbindung zu setzen«, gab Fern zu bedenken und spielte mit den Perlen ihrer Halskette.
»Aber das ist natürlich ganz und gar Ihre Entscheidung, Izbl«, meinte Maud und schenkte sich eine weitere Tasse Tee ein.
Lucy, Maud und Fern wandten sich nach und nach wieder ihrer Lektüre zu, während Wendy ein paar nervöse Bissen von einem Johannisbrotkeks nahm.
Isabelle drehte und wendete diesen Vorschlag im Geiste. An dem, was die Damen der Society sagten, war durchaus etwas dran. Doktorvater hin oder her – sie sollte Tom tatsächlich wissen lassen, dass sie die Manuskripte ausfindig gemacht hatte. Gewiss, er hatte sich nie die Mühe gemacht, die Romane seiner Großtante zu lesen, doch er hatte Isabelle im ganzen Haus danach suchen lassen.
»Nun, ich nehme an...«, fing Isabelle zögernd an. Augenblicklich wandten die vier Damen ihr erwartungsvolle Gesichter zu. »Ja, es wäre höflicher, ihm Bescheid zu geben und...« Sie hielt inne, als ihr ein Gedanke kam. »Eigentlich sollte ich sie ihm aushändigen. Weil sie doch Merediths Familie gehören, nicht wahr?«
»Allmächtiger! Wie wundervoll!«, juchzte Wendy freudig.
»Ganz ausgezeichnet!«, kläffte Lucy. »Feine Sache das.«
Resolut erhob sich Isabelle. »Dürfte ich wohl Ihr Telefon benutzen, Lucy?«
»Nicht nötig, Izbl. Er ist schon unterwegs«, wehrte Maud gelassen ab.
Isabelle setzte sich abrupt wieder hin. »Er... Wer?«
»Na, der kleine Quince natürlich!«, belferte Lucy. »Hab bei ihm
durchgeklingelt, nachdem ich mit Ihnen gesprochen hatte. Hab ihn eingeladen. Mich für seine Einladung revanchiert, Sie wissen schon. Ist ja nur angemessen.«
»Deswegen hab ich auch gebacken, verstehen Sie?«, warf Wendy ein. »Er hat uns doch damals so einen reizenden Tee serviert.«
Lucy heftete die blauen Augen auf Isabelle, die wie gebannt regungslos dasaß.
»Sie haben doch nichts dagegen, oder, Izbl?«
»Nein, natürlich nicht. Ich bin nur...«
Maud schaute zum Fenster hinaus. »Sollt mich nicht wundern, wenn das da sein Auto ist.« Sie stand auf und schritt zur Tür, eifrig gefolgt von Wendy.
Und dann, bevor Isabelle Zeit hatte, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie aussah oder was sie sagen sollte, trat Tom ins Zimmer.
»Ha!«, bellte Lucy, während sie mit einem Satz vorschnellte, um ihn zu begrüßen. »Großartig, Sie wiederzusehen.«
In den sich entspinnenden Verwirrungen brauchte Tom einen oder zwei Momente, um zu Isabelle hinüberzugelangen, die wie angewurzelt unter Merediths Porträt verharrte. Dann war er plötzlich da, sehr nahe, und sie spürte seinen leichten Kuss auf ihrer Wange. Er sagte irgendetwas zu ihr, und es war so schön, seine Stimme zu hören, dass sie kein einziges Wort erfasste. Jetzt war sie an der Reihe, etwas zu sagen, doch ihr fiel einfach nichts ein – jedenfalls nichts Überzeugendes. Energisch von Lucy und Maud zusammengetrieben, verließen die anderen das Zimmer und scharten sich neben der Tür, um sich mit frischem Tee und Keksen zu versorgen. Isabelle und Tom blieben allein zurück. Er legte ihr die Hand auf den Arm, und sie ließen sich nebeneinander nieder.
»Lucy hat mir am Telefon eine sehr aufregende Geschichte erzählt«, begann er und lächelte sie an. »Ich glaube, es könnte unter
Umständen möglich sein, dass ich sie missverstanden habe. Sag, stimmt es, dass du mitten in der Nacht über eine Gartenmauer gestiegen bist, alles nur, um Merediths Manuskripte zu kriegen?«
»Ja, das stimmt«, bestätigte Isabelle und seufzte vor Verlegenheit. »Es fällt mir selbst schwer, das alles zu glauben.«
»Oh, mir nicht. Ich weiß noch, was zu Hause in der Bibliothek passiert ist, als du angefangen hast, ernstlich zu suchen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine entschlossene junge Wissenschaftlerin nichts
Weitere Kostenlose Bücher