Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
Vom Netzwerk:
dies ist das Ende deiner Suche«, antwortete Tom und ging zum Kühlschrank hinüber. »Hast du Lust auf eine Kleinigkeit, zum Feiern? Diese Kekse waren ein bisschen merkwürdig, fand ich.«
    »Danke, nein«, wehrte Isabelle ab und legte den Kopf auf die verschränkten
Arme. »Ich bin zu müde, um irgendwas zu essen oder zu trinken. Ich fahre wohl lieber nach Hause.«
    »Du könntest im Gästezimmer übernachten, wenn du möchtest.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es hier ein Gästezimmer gibt«, erwiderte Isabelle und öffnete ein Auge.
    »Oh, es gibt eins. Komm, ich zeig’s dir.«
    Sie gingen zusammen die Treppe hinauf, und Tom blieb im ersten Stock stehen, vor der Tür von Merediths Zimmer.
    »Ach, dieses Zimmer?«, fragte Isabelle, die sich an die trübsinnige Rumpelkammer erinnerte, die sie bei ihrem ersten Besuch kurz gesehen hatte. »War da wirklich ein Bett drin?«
    »Jetzt ist eins drin«, sagte Tom und öffnete die Tür.
    Isabelle trat ein und sah sich staunend um. Alles Gerümpel war aus dem Raum entfernt und die Wände mit einem hübschen Chinoiserie-Muster in Altrosa tapeziert worden. Tom hatte Merediths Kommode und ihr kleines Himmelbett vom Dachboden heruntergeschafft. Beides war poliert worden und roch jetzt köstlich nach Bienenwachs. Schneeweiße Bettwäsche zierte das Bett, und Vasen mit Massen von Papageientulpen waren überall im Zimmer verteilt.
    »Wie unglaublich schön«, sagte Isabelle leise.
    »Na ja, die Möbel waren da, also kam es mir blöd vor, sie nicht zu benutzen. Gefällt es dir?«
    »Natürlich, ich finde es hinreißend«, beteuerte Isabelle und drehte sich zu ihm um.
    »Dann steht es dir zur Verfügung.«
    »Mir? Wie meinst du das?«
    »Ich habe nicht die Absicht, dieses Zimmer zu einem Schrein für Meredith zu machen. Jetzt ist es ein gemütliches Schlafzimmer mehr hier im Haus, und du kannst es jederzeit benutzen.«

    »Aber Tom, ich verstehe nicht. Ich meine, als wir uns vor Weihnachten verabschiedet haben, war ich mir nicht einmal sicher...«
    »Dass du jemals hierher zurückkommen würdest?«, fragte er und lehnte sich an den Türrahmen. »Also, ich erinnere mich, mal gelesen zu haben, dass die Höflinge im 16. Jahrhundert immer das schönste Zimmer in ihrem Haus fix und fertig bereitgehalten haben, für den Fall, dass die Queen mal aus einer Laune heraus vorbeischaut.«
    Verblüfft sah Isabelle ihn an.
    »Ich habe wohl so etwas Ähnliches gedacht«, bemerkte er.
    »Tom, es ist wunderschön«, sagte sie errötend.
    »Brauchst du eine Zahnbürste?«
    »Ja, danke. Das wäre toll.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Warte hier. Ich hole dir eine Zahnbürste und ein Handtuch.«
    Nachdem sie Tom Gute Nacht gesagt hatte, ging Isabelle in das Zimmer zurück und zog die Vorhänge zu, während sie gedankenverloren vor sich hin sang. Plötzlich war sie so erschöpft, dass sie sich an Ort und Stelle auszog und ihre Sachen – höchst untypisch für sie – einfach auf einen Haufen zu Boden fallen ließ. Als sie mit vor Müdigkeit kribbelnder Haut in die kühle Bettwäsche schlüpfte, atmete sie den köstlichen Duft von Lavendel ein. Im Stillen dankte sie Tom dafür, dass er an alles gedacht hatte. Sie wühlte sich in die Kissen, um ein vollendetes Nest für ihr Gesicht zu schaffen, und streckte Arme und Beine aus. Dann reckte sie einen Arm, um die Nachttischlampe auszuknipsen. Zum ersten Mal seit Wochen entspannte sich ihr Körper. Sie schlief.
    Am Morgen erwachte sie von Vogelgesang. Ein Satzfetzen, möglicherweise das Überbleibsel eines Traums, hallte wie ein Mantra hartnäckig in ihrem Kopf wider. Er lautete »ein unschlagbares
Blatt«, und sie sah ihn noch immer vor sich, in Relief-Schönschrift unter dem kristallklaren Bild der Spielkarten, die bei jenem ersten Mal in Toms Hutband gesteckt hatten. Isabelle räkelte sich genussvoll. Wieso hatte sie eigentlich niemals gern etwas riskiert? Ihr ganzes Leben lang hatte sie Risiken gemieden wie die Pest. Jetzt fürchtete sie sich plötzlich nicht mehr davor. Wahrscheinlich weil sie so tief und fest geschlafen hatte, war nichts von dem mentalen Chaos und der Beklommenheit zu merken, die sie frühmorgens für gewöhnlich überkamen. Ihr Kopf fühlte sich leicht und klar an und beherbergte nur einen einzigen Gedanken. Dieser Gedanke war, wie wunderbar es wäre, Tom jetzt gleich zu sehen, ihm nahe zu sein.
    Sie stieg aus dem Bett, ging zum Fenster und zog einen Vorhang zur Seite. Draußen sah es schön aus. Der Garten lag

Weitere Kostenlose Bücher