Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
auch gut so. Morgen kommt Coll, um Madeleine abzuholen. Ich kann es gar nicht abwarten, was für ein Gesicht er machen wird, wenn er dich sieht.«
Alexander musste wieder an den Rothaarigen denken, mit dem er in der Unterstadt zusammengestoßen war. Inzwischen war er überzeugt davon, dass er tatsächlich seinem Bruder begegnet war. Er hatte versucht, ihm zu folgen, und war dann vor der Taverne zum Blauen Hund stehen geblieben. Dort hatte er Michel Gauthier getroffen, der ihn wiederum zum jungen Tarieu geschickt hatte. Und bei ihm war er schließlich Guillot über den Weg gelaufen. Alles Zufälle? Isabelle war überzeugt davon, dass Gott dabei die Hand im Spiel gehabt hatte. Er selbst glaubte lieber an eine wohlwollende Hand wie die seiner Großmutter Caitlin, oder vielleicht auch die seiner Mutter, Marion.
Als Isabelle seine nachdenkliche Miene sah, küsste sie ihn zärtlich auf die Lippen.
»Ich verstehe ja, dass es dich nervös macht, nach so vielen Jahren deinen Vater wiederzusehen.«
Nervös? Das war noch milde ausgedrückt! Er hatte eine Höllenangst davor! Doch er empfand auch eine gewisse Erleichterung, seit er wusste, dass Duncan hier war, sodass er sich nicht ganz so angespannt fühlte. Er fieberte ihrer Begegnung sogar entgegen. Bestimmt hatte er auch deswegen nicht schlafen können.
Isabelle spielte mit dem silbernen Taufkreuz, das in dem Kraushaar auf seiner Brust lag, und kitzelte ihn. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen und gebot ihr Einhalt, indem er ihre Hand festhielt. Dann küsste er ihre Fingerspitzen, diese Folterinstrumente, und sah sie ernst an.
»Da sind noch Dinge, die du über mich nicht weißt.«
»Dass du einen Zwillingsbruder hattest? Und dass ihr beide euch entfremdet hattet?«
»Dies, und noch vieles andere. Zum Beispiel, wie es mit John und mir so weit kommen konnte …«
»Wir haben doch Zeit.«
»Du hast recht, Isabelle … Aber wir müssen miteinander reden. Durch Schweigen kommt nichts in Ordnung, im Gegenteil. Herrgott! Mein ganzes Leben lang habe ich geglaubt, mein Bruder hätte versucht, mich umzubringen … denn ich dachte, er grolle mir, weil ich durch einen furchtbaren Zufall den Tod meines Großvaters verursacht habe. Das war … dumm, und ganz schrecklich! Ich kann heute nicht mehr glauben, wie meine kindlichen Ängste sich so aufblähen konnten, dass sie unsere Beziehung zerstört haben… und unser Leben …«
Ihm brach die Stimme. Er schloss die Augen, sah Johns Züge vor sich und war aufrichtig froh darüber, dass er sich noch mit ihm versöhnt hatte.
»Isabelle! Es war gar nicht John, der auf mich geschossen hat … Mo chreach! All diese Jahre war ich im Irrtum. Und nun ist John tot … und …«
»Er hat sein Leben geopfert, um unsere Kinder zu retten, Alex.«
»Ich weiß! Ich bereue … alles, was ich meiner Familie aus dummem Starrsinn angetan habe. Ob mein Vater mir wohl vergibt?«
»Würdest du deinem Sohn denn vergeben?«
Alexander starrte auf einen hellen Fleck an der gegenüberliegenden Zimmerwand und nickte schweigend. Lange sah er seine Frau an. Das milchige Licht des frühen Morgens ließ ihre samtige Haut beinahe unwirklich erscheinen. Er legte die Hand darauf, streichelte und knetete sie, um die Wärme, das Leben in ihr zu spüren, und schloss die Augen.
»Isabelle, du bist so … so lebendig!«
»Heiliger Himmel, du ebenfalls! Du auch!«
Langsam liefen Isabelle die Tränen über die Wangen. Alexander wischte sie zärtlich ab. Dann ließ er die Finger zu ihrer Brust gleiten, die sich unter ihrem Haar stolz wölbte.
»Alex … Ich möchte noch ein Kind, oder zwei, oder drei … So viele kleine Macdonalds, wie mein Leib hergibt. Ganz egal, wenn sie nur von dir sind.«
Er war gerührt, und plötzlich brach er in ein heiseres Lachen aus.
»Ich möchte der Garten sein, in dem noch mehrere Alexander Macdonalds heranwachsen, die dieses Haus mit Freude erfüllen werden… und mit Fröschen und Raupen!«
»Mo chreach! Und genauso viele Isabelle Lacroix’, die die Katze am Schwanz ziehen und den Salon zieren?«
Sie schütteten sich vor Lachen aus. Mit einem Mal hatte Alexander das Bedürfnis, sich in die Arme dieser Frau zu flüchten und mit ihr Dutzende von Kindern zu zeugen, wie sie es von ihm verlangte, und mit seiner Familie, die er lieben und beschützen würde, ein ganz normales, ruhiges Leben zu führen… Er drehte Isabelle auf den Rücken und bedeckte sie mit seinem Körper. Die Morgenbrise trug das erste
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