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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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sich immer zahlreicher um Kaishpa drängte. Neugierig geworden bahnte Alexander sich einen Weg bis in ihre Mitte. Ein Mann saß umgeben von Glassplittern auf einem Stuhl. Sein Haar war durchnässt und klebte ihm am Schädel, aber er strahlte etwas dümmlich von einem Ohr zum anderen.
    »Wer kommt jetzt an die Reihe? Wer will sich mit dem großen Kaishpa messen?«, schrie Wemikwanit und hob ein Glas Branntwein in Richtung der Menge. »Du, Dubé? Oder vielleicht du, Sinclair?«
    »Ich!«
    »Das ist Louis Baril«, wurde geflüstert.
    Alle drehten die Köpfe nach einem kleinen Mann mit rotem Gesicht, der in die Mitte der Gruppe trat.
    »Was bietest du mir?«, verlangte er mit herausfordernder Miene zu wissen.
    »Ich lasse dir das Leben, Bruder«, spottete Wemikwanit und hielt ihm das Glas hin, dessen Inhalt ihm über die Finger schwappte.
    »Du elender Bursche! Du machst dich lustig über mich!«, gab der kleine Mann lebhaft und mit einer obszönen Geste zurück. »Für ein paar Brosamen stelle ich mich deinem großen Affen nicht. Was bietest du mir?«
    »Die Hälfte unseres Wettgewinns … wenn du dich nicht vom Stuhl fallen lässt, ehe Kaishpa schießt. Ansonsten behalten wir alles.«
    »Ja, so seid ihr! Ich werde dem Schuss schon standhalten«, versicherte der Mann prahlerisch und nahm das Glas.
    Während sich auf einem Tisch die Wetteinsätze häuften, lud Kaishpa seine Pistole nach, und Baril setzte sich auf den Stuhl und balancierte das Glas oben auf seinem Kopf. Es wurde still. Ein paar Töne stiegen von der Geige auf. Nach einer kleinen Demonstration seines Revolvers, die vor allem dazu diente, die Zuschauer zu beeindrucken, legte der große Kaishpa die Waffe an und kniff ein Auge zu.
    »Hast du keine Angst?«
    »Ja, er wird sich in die Hosen machen!«
    »Hey, Louis! Er wird dir den Schädel sprengen, als wäre er eine Eierschale!«
    Mit wachsendem Interesse verfolgte Alexander das makabere Spiel. Da sah man, wohin Langeweile und Müßiggang führten, wenn es kein Gesetz gab, das der Gewalttätigkeit des Menschen einen Riegel vorschob. Der Schuss ging los, das Glas zersprang, und Baril, der bleich wie ein Laken geworden war, leckte sich die vor Branntwein triefenden Lefzen und strahlte dann selig.
    »Wer will noch mal?«, rief Wemikwanit und schenkte ein weiteres Glas ein, das er mit einem Zug leerte und dann noch einmal auffüllte.
    Die Männer stießen einander in die Rippen, stachelten sich auf, an dem Spiel teilzunehmen, und beschimpften einander wüst, um sich in Rage zu bringen.
    »Du da!«
    Alexander wandte den Kopf in die Richtung, in die der Mischling wies, und sah einen jungen Burschen von höchstens achtzehn Jahren.
    »Ja, Jean-Baptiste, mach schon!«
    »Los doch, Leboef! Zeig uns, dass du kein Hasenfuß bist, ehe du weggehst!«
    »Zeig uns, dass du Mumm im Leib hast! Aber mach dir die Hosen nicht allzu voll! Ha, ha, ha!«
    Er wurde nach vorn geschoben. Um nicht das Gesicht zu verlieren  – was in diesem Land jedenfalls schlimmer war als der Verlust des Lebens – trat der junge Mann vor und nahm das Glas, wobei er ein paar Tropfen von der Flüssigkeit über seine Finger vergoss. Wie der andere setzte er sich auf den Stuhl. Alexander sah, dass ihm alles Blut aus dem Gesicht gewichen war. Der arme Junge betete wahrscheinlich zum Himmel. Die Augen zusammengezogen, die weißen Finger um die Knie gekrampft, begann er zu zittern. Das Glas geriet ins Wanken, und der Schnaps rann über seine Stirn, wo bereits Schweißtropfen standen.
    »Ich kann nicht… ich kann nicht… oh Herr Jesus! Ich will nicht sterben!«
    Gerade als er nach dem Glas griff, das ihm vom Kopf glitt, ging der Schuss los. Ein entsetzlicher Schrei erscholl, und die Instrumente verstummten. Ein paar Männer lachten noch. Und dann hörte man nur noch das langgezogene Stöhnen des Jungen, der sich auf dem Boden wand, während die Blutlache unter ihm immer größer wurde.
    »Einen Arzt, einen Arzt!«, schrie jemand.
    »Den Pastor!«, meinte le Revenant, der zu Alexander getreten war. »Geh und such nach Aunay, Macdonald! Ich versuche, Kilpretin zu finden. Er brüstet sich, einmal Wundarzt gewesen zu sein.«
    »Aber… er hat nur Schafe versorgt.«
    »Ach, er kommt schon zurecht. Ich kann dir versichern, dass die Methoden des Pastors auch nicht besonders katholisch sind, und doch ist noch niemand daran gestorben. Zu zweit werden die beiden es schon schaffen, diesen Idioten zu verarzten, der die blöde Idee hatte, nach seinem Glas zu

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