Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
zurückweist?«
»Annäherungsversuche?«, wiederholte Alexander, dem noch die Haut brannte, wo sie ihn berührt hatte.
»Meine Güte, du hast wirklich ein Problem!« Le Revenant schüttete sich vor Lachen aus und versetzte ihm einen Schubs in den Rücken. »Kannst du nicht in den Augen einer Frau lesen?«
Mit einem Mal begriff Alexander, stürzte davon und machte sich auf die Suche nach seiner Sirene wie ein schiffbrüchiger Seemann. Sie würde ihn retten … zumindest heute Nacht.
Die Sirene wartete unter den Kiefern geduldig auf ihn. Während er auf sie zulief, verschwand sie in der tintenschwarzen Nacht. Der berauschende Duft des Kiefernharzes mischte sich mit dem Alkohol, den er im Blut hatte, und ließ das Feuer, das seinen Leib verzehrte, noch heller lodern.
»Mikwa … Herrgott!«, knurrte er, weil er sich nicht an den Namen der Frau erinnern konnte.
Er schob einen Ast beiseite und erreichte die Stelle, an der er sie gesehen hatte. Ein kehliges Lachen, eilige Schritte. Ein Zweig peitschte durch die Luft. Sie lief weg. Lächelnd folgte er ihr durch den Wald.
Du willst dich auf meine Kosten amüsieren, kleine Sirene!
Dieses Spiel erregte ihn noch weiter. Seine Füße versanken in dem dicken Teppich aus Nadeln und Humus. Zwischen den Blättern eines Busches nahm er ein kupfernes Aufblitzen wahr. Ein provozierendes Lächeln, ein glühender Blick. Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen. Ein Strahl Mondlicht ließ ihren pechschwarzen Zopf schimmern. Er blieb in einigen Schritten Entfernung stehen, weil er fürchtete, sie könne erneut fliehen. Schwer atmend sah er sie an und streckte den Arm aus. Mit einem gurrenden Lachen entwischte sie ihm, und er folgte ihr. Vor ihnen lagen im hellen Mondschein aus Rinde errichtete Wigwams. Durch die offenen Zeltklappen fiel schwaches Licht nach draußen. Er sah, dass sie in eines der Zelte ging, und folgte ihr.
Ein starker Geruch nach geräuchertem Fisch schlug ihm entgegen. Keuchend und schwitzend tastete er sich durch das Halbdunkel. Ein kleines Feuer erhellte die Mitte des Raums; ein Rauchfaden zog durch ein Loch an der Spitze des kegelförmigen Zeltes ab. Hier und da lagen schlafende Menschen auf Matten. Die meisten waren Frauen und Kinder. Endlich sah er sie. Sie saß im hinteren Teil des Wigwams und hatte die langen Beine unter den Körper gezogen. Ihre schwarzen Augen sahen ihn an und riefen ihn wortlos zu ihr. Vorsichtig trat er näher.
»Ambe omaa «, sagte sie und klopfte auf den Platz neben sich. »Abin .«
Alexander begriff nur ihre Geste. Er gehorchte und setzte sich auf die Matte, die sie ihm bezeichnet hatte.
»Aaniin ezhinikaazoyan ?«, flüsterte sie.
»Ich verstehe nicht.«
Sie legte eine Hand auf ihr Herz.
»Mikwanikwe nidijinikàz. Aaniin ezhinikaazoyan? «
»Mikwanikwe … Das ist dein Name, oder? Und du willst den meinen wissen?«
Sie nickte und schenkte ihm ein wunderbares Lächeln.
»Alexander.«
»Alexander«, wiederholte sie und sah ihn aus ihren geheimnisvollen Augen eindringlich an.
Dann wies sie auf einen aus Baumrinde gefertigten Korb, in dem sich Trockenfleisch und »bannique« 28 befanden.
»Ginoondezgade na ?«
Alexander lehnte das Angebot mit einem Kopfschütteln ab. Er hungerte nach etwas anderem, und das wusste sie genau.
»Ginoodeyaabaagwe na ?«, fragte sie und bot ihm eine Kürbisflasche an, die eine streng riechende Flüssigkeit enthielt. »Ishgodewaaboo .«
Das verstand er. Seine mageren Kenntnisse des Algonquin gestatteten ihm nicht, einem Gespräch zu folgen, doch immerhin erfasste er ab und zu ein Wort.
»Miigwech , danke«, antwortete er und nahm die Flasche.
Der Schnaps brannte in seiner Kehle. Schlechter, gepanschter Alkohol , dachte er und hoffte nur, sich nicht zu vergiften. Stolz reckte die junge Frau den Kopf, schüttelte ihren langen Zopf und legte die Hände auf die Knie, während sie wortlos darauf wartete, dass er zu Ende trank. Sie sah ihn an, und er trank in kleinen Schlucken und musterte sie dabei. Obwohl sie die typischen Merkmale ihrer Rasse aufwies, besaß sie auch feine Züge, die ihre gemischte Abstammung verrieten, eine lange, gerade Nase, eine schmale, gewölbte Stirn und einen zarten Knochenbau, so wie Isabelle …
Er setzte die Flasche ab und lächelte ihr zu. Das war es, was ihn angezogen hatte: ihre herablassende Anmut, die ihn an Isabelles Haltung erinnerte. Mit einem Mal überwältigte ihn der Drang, sie in Besitz zu nehmen. Er legte eine Hand auf ihren Arm und ließ seine Finger zu
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