Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
sich in reinem Blau dahin, bis er sich wütend und schäumend in die Stromschnellen von Sault de la Chaudière ergoss. In einer Woche würden sie in Lachine an Land gehen. Die Rückfahrt verlief schneller als die Hinreise, war aber nicht weniger anstrengend.
Da dieses Mal die Kanus von der Strömung getragen wurden, entschieden sich die Voyageurs öfter, durch Stromschnellen hindurchzufahren, was ihnen jedes Mal ein Bad im eiskalten Wasser bescherte. Mehrere von ihnen hatten inzwischen schwere Erkältungen und Fieber. Aber ihr Stolz verhinderte, dass sie sich beklagten, und erst recht waren sie nicht bereit auszuruhen, um sich zu erholen. Doch das Schicksal zwang sie, einen Halt einzulegen. Als sie umluden, um auf die andere Seite des Sault de la Chauière zu gelangen, schlug ein Manöver fehl, und ein Riff riss einem der Kanus den Rumpf auf. Der Schaden war erheblich: Die Rinde war über ein Drittel der Länge zerfetzt. Wenn die Männer nicht so rasch reagiert hätten und das Wasser an dieser Stelle nicht so flach gewesen wäre, hätten sie einen Teil ihrer Ladung verloren. So, wie die Dinge standen, mussten sie ein Lager aufschlagen und den Rest des Tages an Land bleiben.
Ungeduldig hielten die Voyageurs sich beschäftigt. Die einen reparierten die Kanus, andere schossen eine schöne Hirschkuh und zerlegten sie, oder sie hackten Holz und bereiteten das Essen zu. Da er ein wenig mehr Zeit als sonst hatte, briet Noël Paul, der Koch, Maiskuchen, indem er den Teig um Äste wickelte. Die Männer bekamen auch eine zusätzliche Ration Rum.
Alexander genoss ruhig seine Pfeife und sah zu, wie unter der untergehenden Sonne das Wasser durch sein Flussbett strömte. Zerstreut hörte er Wemikwanit zu, der mit den anderen sprach. Der Mischling stellte ihn vor ein Rätsel. Außerdem beobachtete van der Meer ihn oft. Allein schon deswegen war ihm klar, dass er ihm gegenüber misstrauisch sein musste, auch wenn der Mann bisher keine Probleme gemacht hatte.
»Wenn ich Irokese wäre, hätte ich dich jetzt schon skalpiert«, erklang Wemikwanits Stimme aus nächster Nähe.
Er hielt Alexanders Haar in einem eisenharten Griff und hatte ihm das Messer auf die Stirn gesetzt. Der junge Mann ließ seine Pfeife fallen und erstarrte. Lachend ließ der Mischling ihn los, hob seine Pfeife auf, gab sie ihm zurück und setzte sich neben ihn.
»Dir darf nichts entgehen. Deine Augen und Ohren müssen stets wachsam sein, immer, wo du auch bist. Vergiss nicht, dass dein Leben davon abhängt!«
»Vor allem, wenn man seine Begleiter nicht kennt …«
Wemikwanit lachte und warf Alexander einen Seitenblick zu.
»Dann besonders …«
Sie schwiegen. Die Männer, die um das Feuer saßen, erzählten ihre ewig gleichen Abenteuer. Wenn man ihnen glauben wollte, hatten sie heldenhaft gegen wütende Bären gekämpft, Fische aus dem Wasser gezogen, die länger waren als ein Mensch groß, und Frauen erobert, die so schön waren, dass Venus selbst vor Neid erblasst wäre. Sie schienen ihrer Geschichten niemals überdrüssig zu werden.
»Warum gehst du nach Montréal zurück?«, fragte Wemikwanit, nachdem er sich eine angeschlagene Fayence-Pfeife angezündet hatte. »Hat dir Mikwanikwe nicht gefallen?«
»Doch, sie gefällt mir. Aber ich muss meinen Vertrag einhalten, und darin steht, dass ich im ersten Jahr nicht überwintere.«
Der Mischling runzelte die Stirn.
»Tatsächlich? Dabei wäre ein Mann wie du sehr nützlich im Handelsposten. Du bist ein guter Jäger, und du kannst, glaube ich, lesen und schreiben.«
»Und was geht dich das an?«, fragte Alexander vorsichtig.
»Gar nichts. Ich habe mich nur nach dem Grund gefragt. Mikwanikwe war sehr traurig über deine Abreise.«
»Und du sorgst dich um die Gefühle dieser Frau?«
»Sie ist immerhin Kaishpas Halbschwester.«
»Ach ja, natürlich! Der Mann, der sie für ein Fässchen Branntwein verkauft hat!«
»Das war zu ihrem eigenen Besten. Das verstehst du nicht, Macdonald.«
»Nein, ich werde nie verstehen, wie ein Mann fähig sein kann, seine Schwester zu verschachern.«
»Sie hat den roten Hunden ihren Körper verkauft… das hat sie dir wohl nicht erzählt. Natürlich … So etwas erzählt eine Frau einem Mann nicht … während er mit ihr auf der Matte liegt.«
Die letzten Worte hatte er leise gemurmelt und dabei die Klinge seines Messers zwischen seinen Füßen in den Boden gestoßen. Alexander sah zu, wie der Griff aus Hirschhorn bebte.
»Vielleicht hatte sie sich einfach in einen
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