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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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vor, ihm das Grab seines Vaters zu zeigen?
    Doch sie blieb so abrupt stehen, um sich zu bücken, dass er fast über sie gefallen wäre. Dann richtete sie sich wieder auf, wandte sich um und drückte ihm einen Kiesel in die Hand.
    »Dort drüben«, sagte sie leise und führte ihn zu einem kleinen rechteckigen Stein, der in die Erde eingelassen war. Er dachte zunächst, dass es Caitlins Grab war – das Kind, das vor der kleinen Jenny gekommen war, seine Schwester, die nur einen Tag gelebt hatte -, doch dann sah er, dass Caitlins Stein ein Stückchen daneben lag. Dieser Stein war genauso groß und genauso geformt, doch – er hockte sich daneben, und als er die Finger über die Schatten der Inschrift fahren ließ, machte er den Namen aus.
    Yeka’a.
    »Mama«, sagte er, und seine Stimme klang merkwürdig, selbst für ihn.
    »Ist es so richtig, Ian?«, fragte sie ein wenig unsicher. »Dein Pa hat gesagt, er wüsste nicht genau, wie man den Indianernamen buchstabiert. Aber ich habe dem Steinmetz gesagt, er soll beide Namen daraufsetzen, weil ich es so richtig fand.«
    »Beide?« Doch seine Hand war bereits suchend in die Tiefe gewandert und hatte den anderen Namen gefunden.
    Iseabaìl.
    Er schluckte krampfhaft.
    »Es war richtig«, flüsterte er. Seine Finger lagen flach auf dem kühlen Stein.
    Sie hockte sich neben ihn, streckte die Hand aus und legte ihren Kiesel auf den Stein. Das war es, was man tat, dachte er erschüttert, wenn man die Toten besuchte. Man ließ einen Kiesel zurück, um zu sagen, dass man da gewesen war, dass man nichts vergessen hatte.
    Seinen eigenen Stein hatte er immer noch in der anderen Hand; er konnte
sich nicht dazu durchringen, ihn hinzulegen. Tränen liefen ihm über das Gesicht, während die Hand seiner Mutter fest und warm auf seinem Arm lag.
    »Schon gut, mo duine «, sagte sie leise. »Geh zu deiner jungen Frau. Du wirst immer bei uns sein.«
    Der Dampf seiner Tränen stieg wie Weihrauch aus seinem Herzen, und er legte den Kiesel sanft auf das Grab seiner Tochter. Geborgen im Kreis seiner Familie.
    Erst viele Tage später begriff er – mitten auf dem Ozean -, dass seine Mutter ihn einen Mann genannt hatte.

84
    ZU MEINER RECHTEN
    I an starb kurz nach dem Morgengrauen. Die Nacht war höllisch gewesen; Ian war ein Dutzend Mal nahe daran gewesen, in seinem eigenen Blut zu ertrinken. Mit aufgerissenen Augen hatte er nach Luft gerungen, sich krampfhaft emporgeworfen, Stücke seiner Lunge ausgespuckt. Das Bett sah aus, als hätte es dort ein Gemetzel gegeben, und das Zimmer roch nach dem Schweiß eines verzweifelten, vergeblichen Ringens, roch nach der Gegenwart des Todes.
    Am Ende jedoch hatte Ian still gelegen. Seine schmale Brust hatte sich kaum bewegt, sein Atem ein leises Rasseln wie das Kratzen der Rosenzweige am Fenster.
    Jamie hatte im Hintergrund gestanden, um Ians ältestem Sohn den Platz an seiner Seite zu überlassen. Jenny hatte die ganze Nacht an seiner anderen Seite gesessen und ihm das Blut abgewischt, den Krankenschweiß, all die verwesenden Flüssigkeiten, die Ians Körper vor ihren Augen zerfallen ließen. Doch als das Ende nahte, in der Dunkelheit, hatte Ian die rechte Hand ausgestreckt und »Jamie« geflüstert. Er hatte die Augen nicht geöffnet, doch alle hatten gewusst, welchen Jamie er meinte, und sein Sohn hatte stolpernd Platz gemacht, sodass sein Onkel die suchende Hand ergreifen konnte.
    Ians knochige Finger hatten sich mit überraschender Kraft um die seinen geschlossen. Ian hatte etwas gemurmelt, zu leise, um es zu verstehen, und dann losgelassen – nicht das unwillkürliche Entkrampfen des Todes; er hatte schlicht losgelassen, er war fertig und hatte die Hand dann offen fallen gelassen, seinen Kindern entgegen.
    Er sagte nichts mehr, sondern schien sich sinken zu lassen, zu schrumpfen, als ihm das Leben entwich und ihm der Atem versagte. Als sein letzter Atemzug kam, warteten sie dumpf und trostlos in Erwartung des nächsten, und erst nach einer vollen Minute des Schweigens begannen sie, einander verstohlen anzusehen,
heimliche Blicke auf das verwüstete Bett zu werfen, auf die Stille in Ians Gesicht – und allmählich zu begreifen, dass es vorüber war.
     
    MACHTE ES JENNY ETWAS AUS?, FRAGTE ER SICH. DASS IANS LETZTE WORTE AN ihn gerichtet gewesen waren? Doch er glaubte es nicht; die einzige Gnade an einem Ende wie dem seines Schwagers war, dass Zeit zum Abschied geblieben war. Jamie wusste, dass Ian dafür gesorgt hatte, noch einmal allein mit jedem

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