Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
er in der Ecke des Gutsherrnzimmers saß und zusah, wie sein Vater und sein älterer Bruder die Verwaltung Lallybrochs besprachen, konnte er sich nicht vorstellen, dass es möglich sein sollte aufzustehen, zu gehen und sie zurückzulassen. Seinen Vater für immer zurückzulassen.
    Im Lauf der Tage gab es viel zu tun, Verwandte zu besuchen und mit ihnen zu sprechen und über das Land zu wandern, dessen kahle Schönheit ihn tröstete, wenn seine Gefühle unerträglich brodelten. Doch des Nachts lag das Haus still da, sein ächzendes Schweigen unterbrochen vom fernen Husten seines Vaters
und dem schweren Atmen seiner beiden Neffen neben ihm im Zimmer. Er bekam das Gefühl, dass das Haus selbst Luft holte, einen mühseligen, erstickten Atemzug nach dem anderen, begann, das Gewicht auf seiner eigenen Brust zu spüren, und er setzte sich im Bett auf und schnappte nach Luft, nur um sich zu vergewissern, dass er es konnte. Schließlich glitt er dann aus dem Bett, schlich sich nach unten, die Schuhe in der Hand, und schlüpfte zur Küchentür hinaus, um unter Wolken oder Sternen durch die Nacht zu wandern, während der frische Wind die schwelenden Kohlen seines Herzens zur offenen Flamme anfachte, bis er seine Tränen fand – und Frieden, um sie zu vergießen.
    Eines Nachts fand er die Tür bereits entriegelt vor. Neugierig ging er hinaus und schaute sich um, sah aber niemanden. Wahrscheinlich sein Bruder Jamie, der in die Scheune gegangen war; eine der beiden Kühe musste jeden Tag kalben. Vielleicht sollte er gehen und helfen … Doch das Brennen unter seinen Rippen war zu schmerzhaft, er musste erst ein wenig laufen. Jamie hätte ihn ohnehin geholt, wenn er gemeint hätte, dass er Hilfe brauchte.
    Er wandte sich vom Haus und den Nebengebäuden ab und hielt auf den Hügel zu, vorbei am Schafpferch, wo die Schafe als schlafende Wollberge lagen, hell unter dem Mond, und hin und wieder ein leises, plötzliches Mäh! ausstießen, als hätte ihr Schafstraum sie erschreckt.
    Einer dieser Träume nahm plötzlich vor ihm Gestalt an, ein dunkler Umriss, der sich am Zaun bewegte, und er stieß einen kurzen Aufschrei aus, der die Schafe in seiner Nähe weckte und einen leisen Mäh -Chor auslöste.
    »Still, a bhailach «, warnte seine Mutter leise. »Wenn sie erst einmal loslegen, wecken sie die Toten auf.«
    Jetzt konnte er sie ausmachen, eine kleine, schlanke Gestalt, das offene Haar eine dunkle Masse auf ihrem hellen Hemd.
    »Apropos Tote«, sagte er schroff und schluckte sein Herz wieder herunter. »Ich dachte schon, du wärst ein Gespenst. Was machst du denn hier, Mama?«
    »Schäfchen zählen«, sagte sie mit einer Spur von Humor in der Stimme. »Das ist es doch, was man tun soll, wenn man nicht schlafen kann, aye?«
    »Aye.« Er trat an ihre Seite und lehnte sich über den Zaun. »Hilft es?«
    »Manchmal.«
    Eine Weile standen sie regungslos da und sahen zu, wie sich die Schafe bewegten und wieder hinlegten. Sie rochen süß und schmutzig nach zerkautem Gras und Schafsdung und fettiger Wolle, und Ian fand es beruhigend, einfach nur in ihrer Nähe zu sein.
    »Hilft es auch, sie zu zählen, wenn man schon weiß, wie viele es sind?«, fragte er nach kurzem Schweigen. Seine Mutter schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich sage ihre Namen auf. Es ist wie ein Rosenkranzgebet, nur dass man nicht meint, um etwas bitten zu müssen. Das ewige Bitten zehrt an den Nerven.«
    Vor allem, wenn man weiß, dass die Antwort nein lauten wird, dachte Ian und legte ihr von einem plötzlichen Impuls getrieben den Arm um die Schulter.
Sie stieß einen kleinen Laut belustigter Überraschung aus, doch dann ließ sie es geschehen und lehnte sich mit dem Kopf an ihn. Er konnte ihre zierlichen Knochen spüren, so leicht wie die eines Vogels, und glaubte, es würde ihm das Herz brechen.
    Für ein paar Minuten blieben sie so stehen, und dann befreite sie sich sanft, trat einen Schritt zurück und wandte sich ihm zu.
    »Schon müde?«
    »Nein.«
    »Aye, also dann – komm mit.« Ohne eine Antwort abzuwarten wandte sie sich ab und schritt in die Dunkelheit, fort vom Haus.
    Es war Halbmond, und er war lange genug im Freien, sodass sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten; es war nicht schwer, ihr zu folgen, selbst durch das Gewirr aus Gras und Steinen und Heidekraut auf dem Hügel hinter dem Haus.
    Wohin führte sie ihn? Oder vielmehr, warum? Denn sie stiegen bergauf zu dem alten Turm – und dem Friedhof zu seinen Füßen. Ihm wurde kalt ums Herz – hatte sie

Weitere Kostenlose Bücher