Hilfe, ich habe Urlaub
wir zu tun hatten. Wir würden unseren Mietwagen in der Hotelgarage lassen und uns einen Fahrer nehmen, der uns Pompeji und den Vesuv zeigen würde.
Am nächsten Morgen wandten wir uns an Frank. Frank arbeitete in unserem Hotel an der Rezeption und hatte die Angewohnheit, einen beim Sprechen nicht anzusehen, sondern seine Blicke ständig durch die Halle schweifen zu lassen. Wir fragten ihn, ob er einen Fahrer kenne, der sich nicht nur gut auskannte, sondern auch Englisch sprach.
Frank zuckte lässig die Achseln. »Kein Problem. Für Sie ich besorge Fahrer, spricht besser Englisch wie Sie.«
Frank telefonierte. Wir gaben ihm ein Trinkgeld.
Wäre Henry Kissinger Italiener gewesen und mit Novocain gedopt, hätte er sich angehört wie der Fahrer, den Frank für uns besorgte. Er hieß Rocco. Wir fragten Rocco, ob Frank ihn oft anriefe, wenn englischsprachige Urlauber einen Fahrer und Führer suchten. »Klar«, meinte Rocco, »er ist doch mein Bruder.«
Als wir Rocco sein Trinkgeld gaben, war es so, als sei es wieder für Frank.
Jemand hatte uns erzählt, in Neapel gebe es die beste Pizza der Welt. Aber wo in Neapel? Sie werden es kaum erraten, wen ich da fragte - natürlich Frank. Frank sagte: »Keine Problem.« Er würde noch für diesen Abend einen Tisch für uns reservieren. Er telefonierte. Wir gaben ihm ein Trinkgeld.
Später am Abend, als wir in das Restaurant gingen, kam uns ein bekanntes Gesicht mit den Speisekarten entgegen. Es war Frank. Das Restaurant gehörte ihm, und er arbeitete dort, wenn er im Hotel frei hatte. Wir zahlten ein Trinkgeld für ihn und für den Service.
In den nächsten Tagen fanden wir heraus, daß Frank Verwandte hatte, die die »beste
Schmuckwerkstatt in Neapel« betrieben, und einen Schwager mit der »besten Reinigung« in ganz Italien. Mir dämmerte, daß Frank in wenigen Jahren genug Trinkgeld haben würde, um eine Anzahlung auf ganz Italien zu leisten.
Vetternwirtschaft auf höchstem Niveau zu sehen, war sehr reizvoll, aber wir mußten weiter nach Amalfi. Als wir unser Mietauto so unschuldig am Straßenrand stehen sahen, beschlich uns wieder ein ungutes Gefühl.
»Steht er in Richtung Autostrada?« fragte mein Mann.
Die Autostrada ist die italienische Autobahn.
»Kein Problem«, entgegnete Frank. »Fahre Sie geradeaus und biege Sie linkse ab, und dann biege Sie rechtse ab, und Sie sind da. Ausfahrt Amalfi müsse Sie raus.«
Wir gaben ihm ein Trinkgeld.
Wir konnten es nicht fassen, daß endlich einmal etwas klappte. Die Autostrada war genau da, wo Frank gesagt hatte, daß sie sein würde. Wir hielten an der Mautstelle, ließen einen Haufen Lire da und fingen an, Ausschau nach der Ausfahrt Amalfi zu halten. Als wir nach einiger Zeit die nächste Mautstelle erreichten, wurde uns klar, daß wir die Ausfahrt Amalfi wohl verpaßt hatten, also ließen wir wieder einen Haufen Lire da, wendeten und fuhren zurück.
Als wir wieder unsere ursprüngliche Mautstelle erreichten, konnten wir es kaum glauben: Wir waren wieder an unserer Ausfahrt vorbeigefahren. Mein Mann meinte, daß es in dieser Richtung vielleicht keine Ausfahrt gab, und wir zahlten wieder Autobahngebühren und fuhren wieder in die andere Richtung.
Doch auch diesmal hatten wir kein Glück. Als wir am anderen Ende zum viertenmal Maut zahlen mußten, sagte ich: »Das ist ja lächerlich. Ich frag’ jetzt jemanden.«
»Sei nicht albern«, entgegnete mein Mann. »Das wird schon hier sein. Wir sehen es bloß nicht. Paß diesmal besser auf.«
Ich kurbelte das Fenster herunter und schrie: »Wo ist die Ausfahrt Amalfi?«
Der Mann an der Kasse schrie zurück: »Die Ausfahrt heißt Maiori!«
Als wir schließlich in Amalfi an einer Ampel hielten, marschierte eine große Gruppe
amerikanischer Touristen vor uns zu ihrem Reisebus. Einer von ihnen rief meinem Mann zu:
»Ihre Scheibenwischer sind an!«
»Weiß ich!« rief mein Mann zurück. »Ich wollte nach links abbiegen.« Der Mann starrte uns eine Minute lang entgeistert an, bevor er weiterging.
»Ich dachte, du öffnest die Motorhaube, wenn du links abbiegen willst«, sagte ich.
»Die Motorhaube mache ich auf, wenn ich nach rechts abbiegen will«, erklärte er geduldig.
Ich sah über die Schulter dem wundervollen Bus nach und seufzte.
Trinkgeld
Amerikaner zahlen Trinkgeld mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie nach einer Fliege schlagen, die um den Kartoffelsalat brummt. Fremde erzählen uns immer wieder, daß ihre Kinder hilfsbereit wie die
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