Hilfe, ich habe Urlaub
und in seinen geliehenen Koffern geliehene Abendgarderobe dabeihatte.
Jeder, mit dem ich ins Gespräch kam, hatte sich schon einen Platz für das festliche
Abendessen um einundzwanzig Uhr reservieren lassen. Mir wurde klar, daß wir die
ungehobelten Bauern waren, die als einzige schon um sieben Uhr essen wollten. Dafür hatten wir dann den riesigen Speisesaal für uns allein.
Mit der Romantik würde es schwer werden. Vor allem mit einem Ehemann, der sich abends so gern festlich anzog, wie er sich einer Wurzelbehandlung unterzogen hätte.
Ganz zu schweigen von dem Umstand, hinterher das einzige Smokinghemd im Waschbecken
durchwaschen und in die Dusche zum Trocknen hängen zu müssen. Dann gab es das Problem mit dem Seegang. Nachdem ich, noch bevor wir abgelegt hatten, mich vor dem Speisesaal in einen mit Sand gefüllten Standaschenbecher hatte übergeben müssen, schwante mir, daß wir uns nie etwas Romantischeres ins Ohr flüstern würden als: »Bring mir ein kaltes Handtuch«.
Das Schiff fuhr unter dem Kommando von Kapitän Günther, dessen Englisch begrenzt war.
Alles, was er jemals zu mir sagte, war: »Ich bin Norweger. Es besteht keine unmittelbare Gefahr.« Immer wenn er das sagte, lächelte er.
Ich muß zugeben, die ersten paar Tage an Bord waren etwas Besonderes. Die Fjorde waren atemberaubend und die Norweger eine Freude. Allmählich gewann ich mein angeschlagenes Selbstbewußtsein wieder zurück. Außerdem bekamen wir an unseren Kleidern noch die
Reißverschlüsse zu. Das Leben hatte es nie besser mit uns gemeint.
Als wir jedoch in Troms0 anlegten, besorgte ich mir Schwangerenunterwäsche. Meine
Kleider waren ziemlich eng geworden, und die Kabine schien uns auf den Leib zu rücken.
Jedesmal, wenn wir uns umdrehten, stießen wir aneinander. Genaugenommen waren wir der Kabinenwand näher gerückt.
Eines Tages beim Mittagessen fragte ich meinen Mann: »Warum trägst du unter deinem Pulli einen Rettungsring?« - »Tue ich gar nicht. Alles meins«, gab er ungeniert zurück.
Als die faulen Tage weitergingen, herrschte im Geschenkladen ein Gedränge um die Ständer mit diesen hübschen bunten Hängern, die für jede Größe geeignet sind. Als wir in Bergen anlegten, um eine norwegische Volkstanzgruppe zu sehen, gingen mehr als ein Dutzend von uns Frauen in diesen Kleidern an Land. Wir sahen aus wie die nächste Nummer im Programm.
Eines Nachts ging unser Wecker, mein Mann drehte sich um und fragte schläfrig: »Schon wieder Frühstück?«
»Steh auf!« befahl ich. »Zeit für das Mitternachtsbuffet auf dem Promenadendeck. Es gibt Ochsenzunge in Gelee und indisches Lammcurry.«
Er schwenkte die Beine aus dem Bett und rieb sich die Augen. »Schon wieder dieses indische Lamm!« schimpfte er. »Warum gibt es nicht einfach das gute alte Hüftsteak mit
Folienkartoffeln?« Er zog sein Sweatshirt aus und fuhr fort: »Und überhaupt, das muß aufhören!«
»Was muß aufhören?«
»Wie oft essen wir am Tag?«
»Siebzehn- … achtzehnmal, höchstens«, sagte ich beschwichtigend. »Stimmt was nicht?«
»Wenn wir so weitermachen, brauchen wir bald eine eigene Postleitzahl.«
»Nach dem Wecken gibt es nur ein Brötchen und einen Kaffee.«
»Gefolgt von einem Frühstück mit acht Gängen«, fügte er hinzu.
»Niemand zwingt dich, direkt vor dem Mittagessen eine Bouillonpause einzulegen.«
»Wer hat dich denn mit vorgehaltener Pistole zu dem Tee mit Sandwiches und Keksen
gezwungen?« gab er zurück.
»Ich war es jedenfalls nicht, der sich zur Happy Hour durch die ganzen Kanapees und
Horsd’oeuvres gefressen hat«, bemerkte ich hämisch.
»Jedenfalls hattest du beim Abendessen wieder Appetit… und später bei der Pizzaparty und am nächsten Morgen beim Frühstück für Frühaufsteher.«
»Schau«, sagte ich, »wenn du meinst, ich werde zu dick, dann sag’s einfach.«
»Laß es mich so sagen. Wenn jemand einen Diaabend veranstalten will, brauchst du in
Zukunft nur noch weiße Hosen anzuziehen und dich nach vorn zu bücken.«
Er knallte die Tür hinter sich zu, als er die Kabine verließ.
Warum wurden die Leute auf dem Traumschiff im Fernsehen eigentlich nie dick? Ach, das Leben war einfach ungerecht!
Ich sah in den Spiegel. Mein Mann hatte recht. Ich fing an, mich wie die Freiheitsstatue zu kleiden. Ich streckte die Arme aus und schlackerte mit meinen weichen Oberarmen. Es war nur eine Frage der Zeit, bevor vierzehn Touristen in meinen Arm passen würden. So konnte ich nicht nach Hause
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