Hilfe, ich habe Urlaub
Schloß bei einem mittelalterlichen Bankett zusammen diniert. (Das Ehepaar Kennen-wir-schon bemängelte allerdings, der Räucherlachs sei zu kalt gewesen, und der Fasan habe mehr nach Wild geschmeckt, als sie es in Erinnerung hatten.) Wir hatten auf dem Petersplatz den Papst in seinem Fenster winken gesehen. (Die Greiners sagten, sie glaubten nicht, daß er es wirklich selbst war. Sie wollen jemand gesehen haben, der an seinem Rücken einen Startknopf drückte.)
Susanne und ihre Mutter hatten bei unserem Schweizer Trachtenfest in Luzern auf der Bühne gejodelt. Wir waren im London Palladium gewesen und in der Sixtinischen Kapelle.
Als wir jetzt den französischen Wein tranken, begann mein Mann ein Brötchen zu buttern.
Plötzlich sprang er auf und hielt das Brötchen dramatisch über den Kopf gestreckt wie Kunta Kinte in »Roots«, der der Welt seinen neugeborenen Sohn darbietet. »Wußte ich’s doch!« rief er.
»Das ist ein Brötchen aus Dublin. Hier sind meine Initialen und das Datum!«
Die Greiners erklärten, das überrasche sie nicht.
Das Ehepaar Kennen-wir-schon blickte gelangweilt auf und sagte, er solle sich wieder hinsetzen.
»Wo-bleibt-Babcock?« blendete ihn mit seinem Blitz, als er den Augenblick auf Film bannte.
Susanne und ihre Mutter erklärten es für ein Wunder.
Mr. Dimple hatte einen Trinkspruch und eine Kurzversion von »Pigalle, Pigalle, das ist die große Mausefalle mitten in Paris« parat.
Unsere Gesundheitsfee warnte: »Essen Sie das nicht. Das gibt Blähungen.«
Nach meiner Rückkehr habe ich meine Reisegarderobe in die Altkleidersammlung gegeben.
Das war für mich ein symbolischer Akt - wie damals bei den Umstandskleidern. Wenn ich sie weggebe, muß ich nie wieder da durch.
Unsere Gruppenreise hatte uns ein paar nette Kostproben von Europa vermittelt, aber wir fühlten uns von festgelegten Plänen und Routen eingeschränkt und obendrein beaufsichtigt wie eine bedrohte Spezies in der Paarungszeit.
Nach der Rundreiseerfahrung träumten wir von einem Mietwagen, mit dem wir uns ganz
allein auf den Weg machen würden. Wir sahen uns in einem kleinen roten Sportwagen eng umschlungen wie ein Liebespaar in der Badewanne. Wir stellten uns vor, wie uns der Wind durch das Haar fahren würde, während wir dahinbrausten und malerische kleine Gasthäuser auf abgelegenen Landstraßen entdeckten. Wir würden auf einer idyllischen Berghütte Rast machen, Wein bestellen und auf die berauschende Aussicht anstoßen.
»Wir könnten unser eigenes Tempo bestimmen«, sagte ich zu meinem Mann. »Kein Streß …
keine Reisebusse … keine Reiseleiter.«
»Du hast vollkommen recht«, sagte er. »Kein Gepäck rausstellen um fünf Uhr früh, kein Mittagessen mit zwanzig Personen am Tisch, keine schwerwiegenden Entscheidungen mehr wie: Verwende ich meine Viertelstunde jetzt darauf, den Louvre zu besichtigen oder nach einer Toilette zu suchen?«
Im Grunde war doch alles so einfach. Wenn wir Auto fahren konnten, dann konnten wir im Ausland auch einen Mietwagen fahren, stimmt’s?
Klar doch.
Der Mietwagen
Eines schönes Nachmittags - wir hielten gerade an einer Ampel vor dem Einkaufszentrum -
bemerkte eines meiner Kinder, daß bei dem Wagen vor uns die Scheibenwischer an waren, obwohl die Sonne schien. Außerdem versuchte der Fahrer offensichtlich, aus der mittleren Spur nach links abzubiegen.
»Der ist ja wohl bescheuert«, sagte mein Sohn und kicherte.
Ich drehte mich um und packte ihn am Kragen: »Hör mal zu, mein Herr! Ich will diesen Ton nie wieder von dir hören, verstanden? Schau mal auf das Nummernschild. Dieser arme
unglückliche Mensch, den du für >bescheuert< hältst, fährt einen Mietwagen. Weißt du, was das heißt? Das heißt, daß er mit einem Auge auf eine unübersichtliche Straßenkarte schielen muß und mit dem anderen Auge auf den Verkehr. Er kann von Glück sagen, daß er am Flughafen die Ausfahrt gefunden hat. Er hockt in einem Auto, dessen Tücken er nicht kennt, und sucht nach Hinweisschildern, die irgendwo hinter Bäumen versteckt sind. In diesen Kleinwagen sind fünfzehn Gepäckstücke gerammt worden, weil der Kombi, den er bestellt hatte, nicht vorrätig war. Der arme Teufel wird nie herausfinden, wie er bei Dunkelheit die Scheinwerfer ankriegt, und wird sich in der Dämmerung hoffnungslos verfahren. Er wird die Nacht in diesem Auto verbringen. Mach dich nie wieder über einen Menschen lustig, der einen Mietwagen fährt, hörst du? Nie wieder!«
Mein Sohn sah mich an
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