Hilfe, ich habe Urlaub
Gesetzesinitiative »Freie Klos für alle«, die in die Genfer Konvention, die KSZE-Schlußakte und alle internationalen Vereinbarungen aufgenommen
werden sollte, damit jeder, der muß, das Recht auf ungehinderten Zugang zu den Toiletten erhält.
»Es muß doch ein stilles Örtchen geben, für das ich mir keine Schaffnerkasse um den Bauch zu binden brauche«, jammerte ich meinem Mann vor. »Ein Land des Lächelns, wo Menschen mich verwöhnen, weil sie wollen, daß ich glücklich bin.«
Ostseekreuzfahrt
Es war einer dieser Abende, an denen von vornherein klar war, daß nicht mehr viel passieren würde. Um halb neun hatten wir bereits unsere Bademäntel an, lagen ausgestreckt in unseren Lieblingssesseln und wollten uns einen Naturfilm über das monogame Paarungsverhalten der Seekuh ansehen.
Doch es kam anders. Beim Umschalten erwischten wir einen Werbespot, in dem eine junge Frau auf einem Kreuzer herumsprang und sang: »Iß, was du willst, und tu, wovon du träumst!«
Die Menschen um sie herum waren so glücklich, daß man es kaum aushielt.
»Schau dir das an!« meinte mein Mann. »Das ganze Wasser, und keiner angelt.«
Kennen Sie das, wenn Ihnen ein Lied nicht aus dem Kopf geht? Die nächsten drei Tage lief ich herum und sang: »Iß, was du willst, und tu, wovon du träumst.« Ich hatte mich oft gefragt, was für wundervolle Menschen wir wohl ohne das tägliche Einerlei aus Sockensortieren und Kühlschrankauffüllen sein würden. Natürlich machten wir Urlaub, aber das war immer eine anstrengende Mischung aus Pfadfinderlager und Notoperationen. War es da nicht
selbstverständlich, daß der Gedanke verlockend war, für ein paar Wochen im Luxus zu
schwelgen? Im langen Abendkleid in den Speisesaal zu treten oder an der Reling eine
Unterhaltung mit einem geheimnisvollen Fremden zu führen?
Ich kannte genug Folgen der Fernsehserie »Das Traumschiff«, um zu wissen, daß niemand ein Kreuzfahrtschiff so verließ, wie er es betreten hatte. Ich stellte mir das Ganze als eine Art gigantische Party vor, wo sich jeder jeden Abend so aufdonnerte wie für den Abschlußball, mit Konfetti um sich warf und Sekt aus Gläsern trank, die nicht nach Handcreme schmeckten.
»Was hältst du von einem Abenteuer im Wasser?« schnurrte ich eines Abends meinem Mann ins Ohr.
»Sind dir etwa wieder die Kontaktlinsen ins Klo gefallen?«
»Ich spreche von einer Kreuzfahrt. Ich finde, wir sollten eine Kreuzfahrt machen.«
»Wieso?«
»Weil wir vom Alltag schon ganz abgestumpft sind. Wir brauchen mehr Romantik in unserem Leben.«
»Und die kriegen wir also durch eine Kreuzfahrt«, bemerkte er trocken.
»Evelyn hat mir erzählt, daß man einhundertfünfundzwanzig Kalorien verbraucht, wenn man zusammen schläft. Und Don und sie sahen absolut magersüchtig aus, als sie aus der Karibik zurückkamen.«
»Dir kann man auch alles erzählen«, sagte er. »Wahrscheinlich glaubst du auch, daß die Traumschiff-Leute vorsorglich genug Gepäck für siebzig Folgen an Bord hatten, als sie Hawaii verließen.«
»Mit Koffern aus Kork könnte das hinhauen«, entgegnete ich stur.
Ich mußte einige Monate profimäßig nörgeln, bis ich ihn schließlich überzeugen konnte, daß nur eine Kreuzfahrt ein wirklicher Erholungsurlaub für uns sein würde. Ein Urlaub ohne dauerndes Aus-und wieder Einpacken, rein in den Bus, raus aus dem Bus, keine Straßenkarten und Mietwagen, keine verspäteten Linienflüge oder nervtötende Trinkgelder. Wir würden nur einmal bezahlen und uns von da an einfach entspannen und gegenseitig neu entdecken können.
Wir buchten auf einem norwegischen Schiff ab Kopenhagen. Zuerst sollten wir zwei Wochen durch norwegische Fjorde kreuzen. Anschließend würden wir Schweden, Finnland, Deutschland und Rußland anlaufen. Gesamtdauer: einen Monat.
Von dem Augenblick an, als wir in Kopenhagen über den Landungssteg an Bord gingen,
erfaßte mich ein Gefühl, das ich vorher nie gekannt hatte - ich war total verunsichert. Auf diesem eleganten Luxusliner wurde mir erschreckend klar, daß mein Mann und ich die beiden letzten Menschen auf der Welt waren, die zum erstenmal in ihrem Leben auf einem Kreuzfahrtschiff waren. Alle sahen reicher, schlanker und smarter aus als wir.
Die Pässe dieser Herrschaften mußten vom vielen Gebrauch Eselsohren haben. Bestimmt
hatten sie sich vorher komplett neu eingekleidet - mit ihrem altehrwürdigen Geld. Ich wette, wir waren das einzige Paar an Bord, das die Reise mit einem Sparkassenscheck bezahlt
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