Hilfe, ich habe Urlaub
fahren.
Als ich mich beim Buffet zu ihm setzte, erklärte ich ihm meinen Plan. Von nun an würden wir die ganzen auf dem Schiff angebotenen Aktivitäten ausnutzen und so die überschüssigen Pfunde wieder abtrainieren. Er war einverstanden.
Wenn es etwas gibt, das auf einer Kreuzfahrt klappt, und zwar richtig gut klappt, dann ist das die Beschäftigungstherapie. Auf jeden Fall gibt es dafür genügend Personal.
Während ich zur »Fitness für Faule« bei Jennifer ging, war mein Mann in der Bibliothek beim
»Daily Quiz« mit Carol. Während ich von Koch André lernte, Rosetten aus Radieschen zu schneiden, nahm mein Mann an einem Shuffleboard-Turnier mit Bruce teil. Ich lernte bei Maria und Philipe den Tango. Er trainierte seinen Golfschwung bei Phil.
Eines Nachmittags wollte ich mit ihm Kapitän Günther auf der Brücke besuchen, aber er spielte gerade mit Hal und Barbara Bingo.
Wir waren wie zwei Schiffe, die nachts aneinander vorbeifuhren. Wenn er mit Sybil und ihrer Gruppe beim Tischtennis war, lernte ich Kalligraphie bei »Lotosblume«. Er lernte
Tontaubenschießen bei Hank, während ich Bridge spielte.
Eines Abends, als ich mich in der Pianobar zu Debbie Sunshine ans Klavier setzte, traf ich zufällig meinen Mann. »Du fehlst mir«, sagte ich.
»Du mir auch«, antwortete er.
»Ich habe heute im Bingo gewonnen«, sagte ich.
»Hast du Lust, ins Spielkasino zu gehen?«
»Liebend gern«, erklärte ich, »aber ich habe eine Probe. Die Passagiere führen >The Sound of Music< auf. Ich bin eine der Nonnen.«
»Perfekte Besetzung«, meinte er und ging seiner Wege.
Wir sahen uns selten, aber eines Abends, als ich nach dem Handarbeitskurs in die Kabine kam, lag mein Mann ausgestreckt auf dem Bett. Ich fragte ihn, was er hier mache.
»Ich bin erschöpft«, antwortete er. »Meinst du, daß ich nicht mal einen Abend auf den Smoking und die Fliege verzichten kann und darauf, aus einem geschnitzten Schwan aus Eis Krabben zu essen und bis ein Uhr morgens zu tanzen?«
Ich setzte mich zu ihm auf das Bett. »Heute abend kannst du den Smoking vergessen«,
erwiderte ich sanft. »Heute abend ist die Kostümparty, weißt du das nicht mehr? Jeder soll in einem Kostüm aus Sachen erscheinen, die er gerade zur Hand hat.«
»Du machst Witze«, sagte er.
»Keine Sorge. Ich habe das Kostüm für dich. Du kannst meine grünen Strumpfhosen und
meinen grünen Aerobicanzug anziehen und als Zucchini gehen.«
Als wir uns wieder Kopenhagen näherten, sprachen wir kaum noch miteinander. »Wer sich schon lange kennt, kriegt nicht mehr so schnell Nachwuchs«, hat Mark Twain einmal gesagt.
Wir kannten uns so lange, daß wir uns nur noch auf die Nerven gingen. Die überflüssigen Pfunde hatten uns träge und mißmutig gemacht. Wir waren erschöpft von soviel Freizeit.
Am letzten Abend auf See vor unserer Rückkehr saßen wir beide steif am Tisch des Kapitäns und schlürften den Wein, der in unserem Menü eingeschlossen war.
Ich sah mich am Tisch um. Wir hatten uns alle gegenseitig zu Tode amüsiert. Wir hatten mit diesen Leuten mindestens einhundertsechsundneunzig Essen gegessen. Wir hatten alle ihre Geschichten gehört, ihre Reisen nachgelebt, über ihre Witze gelacht und ganze Fotoalben mit Angeberfotos von ihren Enkelkindern studiert. Die Kreuzfahrtgäste waren anders als unsere Busrundreisetypen.
Aber genauso schrecklich.
Da war Edith Purge, die Nachtischkönigin. Sie reiste allein, und weil sie alles aß, was sie kriegen konnte, hüllte sie sich in lange, weite Gewänder. Ihre Einstellung lautete: »Ich habe schließlich viel Geld dafür gezahlt.« Als der Oberkellner sie fragte, ob sie für das Abendessen um sieben oder um neun Uhr reservieren wolle, antwortete sie: »Ja.« Sie verbrauchte jeden Tag drei Filme - alles Bilder vom Nachtischbuffet.
Dann waren da die Tweeds … ein zackiges Ehepaar aus Maine. Sie standen beide auf Fitneß und hatten sich vorgenommen, uns den Geschmack am Essen zu verderben.
Ich kann bis heute kein heißes Würstchen essen, ohne an ihren Vortrag über Schlachtabfälle zu denken. Jeden Morgen um sechs stürmten die Tweeds an Deck, und wehe dem, der ihrem flotten Stechschritt in die Quere kam.
Die Craigs waren ein interessantes Paar. Er war Trinker, und sie zog sich acht-bis zehnmal am Tag um. Einen Abend bemerkte ich ein Pflaster an ihrer Hand. Ich schwöre, es war ein G für Gucci darauf. Wir bekommen noch jedes Jahr von ihnen eine Weihnachtskarte. Unser Name ist immer falsch
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