Hilfe, ich habe Urlaub
eigenes Feldbett unter den Sternen aufzuschlagen, und wartete, bis die Klokabinen aufgestellt waren und ein Wasserfall zum Duschen frei wurde. Ich hatte wirklich nicht das Gefühl, daß ich meine Kinder übertrieben bemuttere. Als ich eines Abends in der Klokabine hockte, hörte ich einen großen Greifvogel am Himmel schreien und die Stimme meiner Tochter, wie sie zu einer Freundin sagte: »Ich muß gehen. Meine Mutter ruft nach mir.«
Ich biß mir auf die Zunge, um nicht zu schreien: »Du freches Gör! Du kriegst Stubenarrest, bis du selbst Kinder hast!«
Mein Mann mußte zugeben, daß das Essen hervorragend war und die Landschaft
atemberaubend, doch er konnte sich mit dem primitiven Leben nicht anfreunden. Für ihn war es ein guter Tag, wenn er am Wasserfall einen Felsen mit einer Einbuchtung als Ablage für seine biologisch abbaubare Seife fand.
Ungefähr am sechsten Abend hörten wir Donnergrollen und sahen dunkle Wolken
herannahen, die sich unheilverkündend über uns sammelten, als wir unsere Betten aufstellten.
Jemand hatte den genialen Einfall, vor dem Regen in den nahe gelegenen Felshöhlen Schutz zu suchen.
»Ich nicht«, erklärte ich und stellte mein Feldbett abseits von der Gruppe auf den kargen steinigen Boden. »In solchen Höhlen gibt es Fledermäuse, und auf deren Bekanntschaft lege ich keinen gesteigerten Wert.«
Mein Sohn schämte sich. »Vati«, meinte er, »Mami benimmt sich wieder unmöglich. Sag ihr, sie soll in die Höhle kommen wie die anderen.«
Ich weiß nicht warum, aber ich hasse Fledermäuse. Sie sind einfach falsch gepolt. Ganz falsch. Sie stehen nie auf ihren Füßen wie andere Säugetiere. Sie lassen sich von der Decke hängen und haben etwas Unheimliches an sich.
In der offenen Wüste fühlte ich mich sicherer. Als ich zum schwarzen Himmel hochsah, schrie ich durch die Finsternis meinem Mann zu: »Ißt du gerade?« Ich wußte, daß er seine Naschvorräte bei sich trug.
»Ich esse Aprikosendörrobst aus meiner Überlebenstasche.«
»Ich bin am Verhungern.«
»Dann nützt ein bißchen Dörrobst auch nichts mehr.«
»Du willst nicht zufällig was abgeben, oder?«
Ich hörte ihn nur noch zufrieden im Dunkeln schmatzen.
Hoffentlich waren die Batterien in seiner elektrischen Zahnbürste bald leer.
Am letzten Tag unserer Flußfahrt half jeder mit, alles wieder aus dem Canyon zu schaffen, das wir hierhergebracht hatten - vom großen Schlauchboot bis zum letzten Kaugummipapier.
Unsere Kinder sahen derart verwahrlost aus, daß man hätte denken können, sie kämen gerade von einem Waisenhauspicknick.
Ich habe auf dieser Fahrt viel über unsere Kinder nachgedacht - vor allem darüber, ob es klug war, sie mitzunehmen.
Ich bin zu folgendem Schluß gekommen: Sie können Ihren Kindern Lebensversicherungen
hinterlassen, Aktien, einen vergammelten Pelzmantel und das Familiensilber, aber Sie können Ihnen nicht die Erinnerungen hinterlassen, die von so unschätzbarem Wert für Ihr Leben waren -
Ihre Reisen! So was läßt sich nicht vererben. Das ist etwas, das mit Ihnen verschwindet, wenn Sie eines Tages nicht mehr da sind.
Eltern denken viel darüber nach, was sie ihren Kindern hinterlassen. Was werden die Kinder mit ihrem Geld anfangen? Einer mietet sich vielleicht in einem Schallplattenladen ein, die andere stellt sich das ganze Haus mit Kosmetika voll, und der dritte kauft sich ein Auto, das ewig auf Betonklötzen aufgebockt in der Einfahrt stehen wird, weil er es pausenlos repariert.
Nach dieser Reise entschlossen wir uns, das Geld dafür auszugeben, unseren Kindern die Welt zu zeigen. Sollten sie doch ihre eigenen Reichtümer ansammeln. Schließlich waren wir ja eine richtige Familie und kein Rateteam … Wissen Sie noch?
In Irland zerstritten sich die beiden Jungen wegen eines Fahrrades und schauten sich zwei Wochen nicht mehr an.
In Hawaii kamen sie dahinter, daß sie nur zu sagen brauchten »Das geht auf Rechnung
Zimmer 411« und schon besaßen sie alle Macht der Welt.
Im afrikanischen Busch fiel einer in den Sambesi, einen Fluß voller Krokodile. Der andere lief durch Pamplonas enge Straßen vor den Stieren her und erzählte es mir hinterher, damit ich meinen Herzanfall in Ruhe kriegen konnte.
Mein Mann hat mich gefilmt, wie ich einem Sohn hinterherlaufe, der mit einem Drachen über einer mexikanischen Bucht abhebt, und ihn anschreie: »Willst du deine Mutter umbringen?«
Ihre Hotelzimmer sahen immer aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, sie betraten immer
Weitere Kostenlose Bücher