Hilfe, ich habe Urlaub
Ronald Reagan.
Mein Mann war früher Geschichtslehrer und neigt dazu, jedes Schild an jedem
Ausstellungsstück in jedem einzelnen Museum zu studieren. Falls es einen Knopf zu einem Tonband gibt, drückt er drauf. Falls es einen Führer gibt, der einem erklärt, wie Farbe trocknet, hört er ihm gebannt zu. Falls auf einer Bergkuppe islamische Schriftzeichen zu sehen sind, klettert er hinauf.
Mir reichten für Stonehenge zehn Minuten.
Es ist nicht etwa so, daß ich keinen Respekt vor Altertümern hätte. Ich habe vor jedem Respekt, der Kinder geboren hat und noch aufrecht gehen kann. Irgendwie finde ich die Besichtigung von historischen Stätten nur immer so schrecklich aufwendig. Die Zugfahrt in Peru, um Macchu Picchu zu sehen, die Seilbahn in Israel, um Masada zu besichtigen, oder die Taxifahrt in Jordanien, um durch die römischen Überreste von Garash zu stampfen, haben mir nichts ausgemacht. Aber das waren Ausnahmen. Die meisten historischen Sehenswürdigkeiten sind nur durch Gewaltmärsche zu erreichen. In Indonesien brachte ich einen halben Tag damit zu, einen Haufen Lava zu erklimmen, um in einen vulkanischen Schlund namens Krakatau zu starren, der genauso aussah wie der Krater vom Vesuv, den ich vorher in Italien gesehen hatte.
So ist das eben: Das ganze Jahr über kriegt man keinen Vulkan zu Gesicht, und dann kriegt man zwei Wochen nichts anderes zu sehen und ist vollkommen verausgabt. Mit Museen ist es dasselbe. Und mit Kirchen. Und Ruinen.
Mein Mann und ich interessieren uns auf Bildungsreisen für sehr verschiedene Dinge. Er konzentriert sich, fragt nach der Größe der Ziegelsteine und wann die Kathedrale restauriert wurde. Er führt ein Tagebuch, wo er gewesen ist und was er gesehen hat.
Meine Beobachtungen richten sich auf den Intelligenzquotienten der Frauen, die bei diesen Ausflügen hohe Absätze tragen, auf die Frage, wie lange der Andenkenladen geöffnet ist, und woher wir wissen, daß Maria, die Mutter Gottes, tatsächlich in diesem Haus gelebt hat. Sind da Handtücher mit dem Monogramm MM für »Mutter Maria« gefunden worden?
Ich habe das Gefühl, daß männliche Fremdenführer in vielen Ländern, vor allem im Nahen Osten, nicht mit der selbstbewußten und kritischen Art westlicher Frauen umgehen können. Sie sind Dienerinnen gewohnt, die Grau oder Schwarz tragen, den Mund halten und an ihren Lippen hängen, wenn sie reden.
Das war nie offensichtlicher als bei unserem Besuch in Ephesus, einer antiken Ruinenstadt in der Türkei. Um zehn Uhr morgens stand das Thermometer bereits auf vierzig Grad Celsius.
Unser Fremdenführer war ein Geschichtsexperte, der über jeden Stein stundenlange verwickelte Geschichten zu erzählen wußte. Der Begriff »Wechseljahre« war für ihn ohne Bedeutung. Alle zwei Minuten hielt er an und vertiefte sich in eine lange historische Tirade à la James Michener, die bis zurück ins Jahr 88 vor Christus reichte - mindestens! Irgendwie mußte er mitbekommen haben, daß er nicht meine volle Aufmerksamkeit hatte. Während seiner Vorträge suchte ich entweder nach einer Toilette oder nach Trinkwasser. Von Zeit zu Zeit schlich ich mich unter dem Vorwand, etwas verloren zu haben, an ein schattiges Plätzchen und gab vor, dort zu suchen. Als ich auf einer Steinbank im Amphitheater zusammenbrach, sprach mich unser Führer direkt an:
»Ich habe eine Geschichte, die Sie interessieren wird.« Das belebte mich ein wenig.
»An diesem Ort wurde Artemis verehrt«, begann er. »Ihre Priesterinnen waren mit Leib und Seele Kriegerinnen - urtypische Emanzen sozusagen.« Er machte eine Pause und sah mir in die Augen. »Diese Frauen schliefen einmal im Jahr mit Männern, damit ihr Volk nicht ausstarb.
Männliche Kinder wurden nach der Geburt ausgesetzt.«
Jetzt war ich ganz Ohr.
»Artemis wird immer als Amazone dargestellt«, fuhr er fort, »eine Brust entblößt, das Peplon über die rechte Schulter gezogen, um die Narbe zu verbergen, wo die andere Brust abgetrennt worden war, um dem Bogenarm volle Bewegungsfreiheit zu geben.«
Ich nickte verständnislos.
»Irgendwie erinnern Sie mich an diese Frauen«, sagte er lächelnd.
Ich sah an meiner eigenen Büste herab und fragte mich, was er mit einem derartigen blöden Scherz meinte. Und das nur, weil ich selbst die Autotür öffnete, oder was?
Als man uns anbot, mit dem Boot nach Griechenland überzusetzen, geriet mein Mann in
Ekstase.
»Willst du nicht sehen, wo der erste Marathon stattfand?« fragte er. Ich schüttelte den
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