Hilfe, ich habe Urlaub
Bestandteile auflösen würden. Sofern sie nicht vorher hinschlugen und sich den Hals brachen.
Wir blieben ganze fünf Minuten zusammen, dann legte die Gruppe einen Schlag zu und ließ mich zurück wie eine Pestkranke. Als ich mir auf dem steinigen Pfad langsam meinen Weg dorthin suchte, wo das Boot wartete, fragte ich mich, warum wir uns das eigentlich antaten.
Unsere Kinder hatten keine Lust dazu. Das hatten sie deutlich gemacht. Sie wären lieber zu Hause geblieben und hätten an ihrem Enthüllungsbuch »Unsere lieben Rabeneltern«
weitergeschrieben.
Ein stechender Schmerz in meinem rechten Knie unterbrach für einen Moment meine trüben Gedanken. Wir hätten aufhören sollen, Kinder zu kriegen, als wir noch in der Mehrheit waren.
Jetzt stand es drei zu zwei. Das hieß: Sie hatten die Kontrolle über Telefon, Autoradio und alle anderen Nachrichtenverbindungen.
Sie kontrollierten buchstäblich den Etat und die Ausgaben. Sie hatten das letzte Wort bei allen großen Entscheidungen. Dieser Urlaub war der erste undemokratische Entschluß, den wir in zehn Jahren gefaßt hatten. Aber irgendwie waren wir jetzt auch nicht glücklicher. Mein linkes Knie schmerzte nun ebenfalls, und ich begann, mich bei jedem Schritt an der Felswand abzustützen.
Nach ungefähr sechs Kilometern Wanderweg hatte ich das Gefühl, in der Sonne zu
schmelzen. Mein Wasservorrat war aufgebraucht, und mein Knie brachte mich um.
Ich kroch in eine kleine Höhle, um Schatten zu finden und über meine Zukunft nachzudenken
- falls ich noch eine hatte. Meine Zehen fühlten sich an, als stießen sie vorn durch meine Wanderstiefel. Sicher würden meine drei Kinder jetzt sagen: »Wegen uns ist Mutters Körper zu neunzig Prozent mit Schwangerschaftsstreifen bedeckt. Wir sind eine Familie. Ihr anderen könnt ja alle zum Fluß runtergehen, aber wir gehen den Weg zurück und retten unsere Mutter, die sich so oft für uns geopfert hat.«
Eine Stunde verging, bevor ich ein leichtes Vibrieren im Boden spürte und ein paar Maulesel sah, die Vorräte zum Talboden des Canyons runterschleppten. Ich ließ mich mitnehmen und war sicher, auf dem Weg meine Familie zu treffen, die mich sicher schon suchte. Mein Mann hatte tatsächlich begonnen, sich Sorgen zu machen, und wollte sich mit Trinkwasser auf den Weg machen, als ich auf meinem Maultier heranritt.
Die Kinder saßen bereits alle im Schlauchboot. Als ich näher kam, hörte ich meine Tochter sagen: »Mami kommt immer zu spät. Sie kann einen auch nur blamieren.«
Als ich über den großen Gummischlauch stolperte, meinte der Schlauchbootkapitän: »Sie sind der erste Mensch, der jemals den Abstieg in den Canyon zu Fuß begonnen hat und am Ende geritten kam …«
»Halten Sie den Mund, und legen Sie ab«, sagte ich müde.
Menschen, die noch nie auf dem Colorado unterwegs waren, fragen sich, was man den ganzen Tag in einem Schlauchboot für sechzehn Personen macht.
Hauptsächlich treibt man einen schmalen braunen Fluß hinunter: Auf beiden Seiten ragen Felswände auf, die mehrere hundert Meter hoch sind. Durch diese Steinkathedralen zu gleiten, deren Farbe sich in der Nachmittagssonne von Violett über Rot in Gold verwandelt, ist eine der unvergeßlichen Erfahrungen, die man machen kann. Gelegentlich fegt das Boot durch
Stromschnellen mit spitzen Felsen und wirbelndem Schaum. Von Zeit zu Zeit halten Sie an, erkunden Höhlen und Wasserfälle und schauen nach Wildpferden und Wildeseln, die neugierig zurückäugen. Wer in den Fluß fällt, kann sich auf eine gehörige Unterkühlung gefaßt machen.
Nach etwa drei Tagen fragte mich eine nette Frau aus Maine: »Haben Sie eigentlich Kinder?«
Ich nickte und deutete auf den mit Seilen festgezurrten Jungen, der sich so weit von der Gruppe weggesetzt hatte, wie es auf dem Schlauchboot eben ging. Mein anderer Sohn hockte am anderen Ende des Boots und las ein Comic-Heft, während meine Tochter sich gerade die richtige Bräune zulegte.
»Und Ihr Mann?« hakte die Dame nach. Ich zeigte auf ihn.
»Ach je!« rief sie aus. »Das ist ja der, den wir jeden Abend in Bademantel und
Nachtschlappen zur Klokabine gehen sehen. Der kann sich mit dem Abenteuerleben wohl nicht so recht anfreunden, was?«
»Glauben Sie mir, er leidet Höllenqualen«, sagte ich und lächelte.
Die Dame aus Maine fand es wunderbar, wenn Familien sich so gut verstanden wie wir.
Jeden Abend fand beim Aufschlagen des Lagers dasselbe Ritual statt. Jeder war selbst verantwortlich dafür, sein
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