Hilfe, ich habe Urlaub
Ich war voller Vorfreude auf eine Karibikkreuzfahrt, bei der es acht Mahlzeiten am Tag gab, und hinterher wälzte ich mich stöhnend in meiner Koje herum und nahm nur Zwieback und Cola Light zu mir.
Ich weiß nicht, was es war - die Aufregung oder das Wasser, das Essen oder die Hitze, auf jeden Fall besteht meine Erinnerung an Santiago de Chile lediglich darin, wie ich in einem Hotelzimmer liege und dem sprechenden Pferd Rosinante dabei zusehe, wie es Pointen auf Spanisch abfeuert. Ich wollte damals nur noch nach Hause und in meinem eigenen Bett sterben, wo die Zimmermädchen nicht ständig mit frischen Handtüchern rein-und rausliefen, doch mein Mann blieb hart.
»Wir können nicht nach Hause fahren«, erklärte er. »Um unsere Buchung zu ändern, verlangt die Fluggesellschaft je Flugschein fünfundsiebzig Dollar, und was es kostet, einen für zwei Wochen bestellten Mietwagen vorzeitig zurückzugeben, möchte ich gar nicht erst wissen.«
Ich sagte, wenn er krank wäre, würden wir bestimmt heimfahren, und er sagte: »Wenn ich mal krank werde, ist es eben viel schlimmer als bei dir.«
Halten wir diesen Gedanken mal fest. Ich würde Ihnen gern von Peru erzählen. Wir waren unterwegs nach Macchu Picchu und flogen nach Cuzco, das 3400 Meter hoch liegt. Die Landung hätte Ihnen den Atem genommen - vorausgesetzt, Sie hätten noch welchen gehabt.
Wir hatten uns gerade in unserem Hotel gemeldet, als ein Kellner uns zwei Tassen Tee brachte, in denen Kokainblätter schwammen.
Bevor ich noch »Kampf den Drogen« schmettern konnte, versicherte uns der Mann, daß es klug sei, das Gebräu zu trinken. Wir würden davon müde, und während wir uns ausruhten, würden sich unsere Körper an die Höhenluft gewöhnen.
Mein Mann setzte die Tasse an die Lippen und sackte sofort weg. Ich lehnte ab: Schließlich hatte ich noch ein paar Stunden, bevor die Andenkenläden schlossen. Schlafen konnte ich zu Hause.
Am nächsten Morgen kam mein Mann nicht aus dem Bett. Er fühlte sich zerschlagen und
hatte Kopfschmerzen.
»Nichts weiter als eine leichte Grippe«, erklärte ich ungerührt.
»Meine Fingernägel laufen blau an«, sagte er nach einer Weile.
»Dann ist es vielleicht doch schlimmer«, meinte ich. Wir riefen den Hotelarzt, der die Fenster aufriß, meinem Mann eine Sauerstoffmaske auf das Gesicht drückte und ihn zum Opfer der Höhenkrankheit erklärte.
Mein Mann bedeutete mir, näher ans Bett zu kommen und flüsterte mit ausgetrockneten
Lippen: »Wir sind den ganzen Weg gekommen, um Macchu Picchu zu sehen, und ich will nicht, daß du darauf verzichtest, nur weil ich auf der
Schwelle des Todes stehe. Mach dir keine Sorgen um
mich. Natürlich ist es schrecklich, hier ganz allein in einer fremden Stadt zu sein, deren Sprache ich nicht spreche, und auf ein Telefon angewiesen zu sein, das die halbe Zeit nicht funktioniert, aber ich möchte, daß du den Zug nach Macchu Picchu nimmst und dort eine wunderschöne Zeit verbringst.«
»Abgemacht«, sagte ich und war im Nu draußen.
Als wir uns später über seine Krankheit unterhielten (und Gott weiß, wie oft er davon anfing), ging es ihm nie um das Gefühl, er hätte da allein sterben können; es war die tödliche Qual, soviel Geld bezahlt zu haben, um den ganzen Tag auf eine häßliche Tapete zu schauen.
Den Unterlagen unseres Hausarztes zufolge hatten wir von unseren Reisen gequetschte Nieren mitgebracht, schwarz verfärbte Zehennägel, die schließlich abfielen, Ausschlag, angegriffene Lungen, Schüttelfrost und Fieber, Bindehautentzündung, Durchfall, rätselhafte Insektenbisse, die nicht abheilten, Entzündungen der Lymph-drüsen, Sonnenbrand an den Füßen vom Waleschauen im mexikanischen Kalifornien und eine mysteriöse Tropenkrankheit, die mich sechs Wochen meines Lebens kostete.
Einige Krankheiten sind unvermeidlich. Ich weiß, daß ich auf See immer an der Reling zu finden sein werde, und kann nur hoffen, daß mir der Wind nicht ins Gesicht bläst. Das Schlingern eines Schiffs kann ich immer noch nicht ertragen, egal wie viele
Vorsichtsmaßnahmen ich treffe. So auch auf unserer Reise in das kleine französische
Karibikdepartement Guadeloupe.
Die Überfahrt dauerte drei Stunden. Es gab auf dem Schiff eine erste Klasse und eine Touristenklasse. Mein Mann verkündete: »Kinder, ich denke, eurer Mutter würde es in der ersten Klasse bessergehen. Vielleicht schwankt es da nicht so stark. Ich weiß, daß ihr sparen wollt, deshalb könnt ihr gern die Touristenklasse
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