Hilfe, mein Chef ist ein Affe
Vorteil verschafft. Durch den Tratsch geben sich alle Beteiligten eine Blöße und machen sich angreifbar, denn sie lassen dem anderen Informationen zukommen, die er auch missbrauchen könnte. Zugleich streben sie aber eine Vertrauensbeziehung an und gehen eine Art Bündnis ein, nach dem Motto: »Ich erzähle dir etwas und mache mich angreifbar. Dafür erwarte ich von dir, dass du mir zustimmst und mir hilfst.« Einfacher ausgedrückt: »Ich lause dich. Lause du mich!«
Manch einer mag den Vergleich mit dem Lausen für absurd halten und sagen: »Gelaust wird in aller Öffentlichkeit. Geklatscht wird aber meist im Verborgenen.« Ist das wirklich so? Sehen wir nicht oft, wie zwei Leute ganz offen die Köpfe zusammenstecken? Bekommen wir nicht immer wieder mit, wie andere flüstern und plötzlich verstummen, wenn wir an ihnen vorbeigehen? Kennen Sie nicht auch Kollegen, die sich immer mit ganz bestimmten Leuten zum Essen in der Kantine verabreden?
• Jeder »laust« ab und zu, ob er will oder nicht.
Übrigens kann sich niemand diesem Verhalten ganz entziehen. Jeder beteiligt sich an Klatsch und Tratsch, ob aktiv oder als passiver Zuhörer. Auch die integersten Kollegen lassen sich gelegentlich zu Äußerungen über Dritte hinreißen.
Nur ganz selten gibt es einen Kollegen, der sagt: »Lass mich in Ruhe mit dem Getratsche!« Nun, das ist dann nichts weiter als das Signal eines Affen, der von seinem Gegenüber nicht gelaust werden will. Und was, wenn der andere weiter »laust«? Affen sind da ganz direkt: Wird der andere aufdringlich, fängt er sich schnell einen Hieb ein, und es kommt zum offenen Konflikt.
Auch bei Menschen kann das Bemühen um Unterstützung im Konflikt enden. Man tut etwas für andere und erwartet eine Gegenleistung. Probleme entstehen häufig dann, wenn die Gegenleistung ausbleibt. Denken Sie nur daran, wie oft Personen, die täglich zusammen in der Kantine saßen, sich plötzlich spinnefeind sind. Diese Affen!
Ich war’s nicht, er war’s!
• Ein Sündenbock lenkt von den Fehlern anderer ab. So erhalten Sie Ihre Position aufrecht.
Welche Möglichkeit gibt es noch, das soziale Gefüge in einem Unternehmen zu beeinflussen und sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen? An dieser Stelle möchte ich den Sündenbock ins Spiel bringen. Enttäuschende Ergebnisse, nicht ausgeführte Aufträge, fehlerhafte Produkte oder nicht eingehaltene Termine: Wenn in einem Unternehmen etwas schiefläuft, wird nach dem gesucht, der es »verbockt« hat. Ihm schiebt man das Problem zu. Wir wälzen es ab und waschen unsere Hände in Unschuld. Obskure Notizen tauchen plötzlich auf, andere verschwinden. Das geht so lange weiter, bis der Sündenbock endlich gefunden ist. So sichern wir unsere Position auf Kosten anderer.
• Die Affen brauchen keinen Sündenbock. Sie kämpfen lieber.
Machen das die Affen auch? Tatsächlich findet man kein vergleichbares Verhalten. Denn die Affen haben es da einfacher: Bei ihnen ist das Kräftemessen eine körperliche Angelegenheit. Mit Imponiergehabe, ein paar Hieben oder dem Wegschnappen von Nahrung wird klargestellt, wer der Bessere oder Stärkere ist. Der entsprechende Lärm tut es auch gleich den anderen kund.
Wir dagegen reißen unseren Kollegen nicht den Kaffee aus der Hand oder ziehen ihn an den Haaren, sondern regeln die Dinge nach Möglichkeit unauffälliger: Statt jemanden zu vermöbeln, beleuchten wir seine Schwachpunkte oder versuchen einen Konkurrenten auszuschalten, indem wir ihn zum Sündenbock für einen Misserfolg machen.
Ist das jetzt gut oder böse?
Jeder von uns setzt die eine oder andere Verhaltensweise ein, um auf der Hierarchieleiter nach oben zu klettern. Darum ist es gar nicht so einfach, diese Methoden zu be- oder gar zu verurteilen. Denn wir alle spielen das Spiel mit, auch ich selbst: Wenn ich dem Chef begegne, lächle ich ihn freundlich an. Gegenüber meinen Kollegen drücke ich schon mal ein Auge zu, wenn sie sich danebenbenehmen oder Fehler machen. Ich setze mich für Schwächere ein, wenn es für mich von Nutzen ist. Manchmal manipuliere ich, um etwas zu erreichen, und hin und wieder versuche ich, anderen meine Fehler in die Schuhe zu schieben.
Solange wir selbst solches Verhalten an den Tag legen, ist ein objektives Urteil schwierig. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Handelt man ausschließlich auf Kosten anderer, so ist das im moralischen Sinne als schlechtes Verhalten anzusehen, auch wenn es ganz natürlich ist.
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Unter Kollegen
Wie lange
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