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Himmel der Suende

Himmel der Suende

Titel: Himmel der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riccarda Blake
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haben, konnte man schlecht klarmachen, dass er sich nur etwas vormachte und sich lieber wieder auf das Leben konzentrieren sollte, statt in Trauer und Selbstvorwürfen zu zerfließen.
    Was wäre die Welt doch für ein friedlicher Ort, wenn die Menschen sich immer nur so sehen würden, wie sie wirklich waren. Auf der anderen Seite würden die Kerle dann aber auch nicht saufen, und sie hätte keinen Job.
    Gerade wollte sie etwas oberflächlich Tröstendes sagen, als plötzlich seine Augen aufleuchteten und er die Hand auf das leere Glas legte, damit sie nicht nachschenken konnte.
    „Was ist?“, fragte sie.
    „Hast du das gespürt?“
    Sie hatte keine Ahnung, wovon er redete.
    „Ich habe nichts gespürt“, sagte sie entsprechend. „Und ich habe auch keine Ahnung, wovon du gerade redest.“
    Seine bis dahin finstere Miene klarte auf.
    „Sie lebt“, rief er. „Verdammt, sie lebt!“
    „Was?!?“
    „Ich dachte, sie sei tot. Aber sie lebt!“
    „Wer?“
    „Ani’El“, sagte er und erhob sich von seinem Hocker - plötzlich wieder stocknüchtern. Er zeigte auf die Engelsstatue in der Mitte des Schreins. „Ani’El lebt.“
    Er lachte und drehte sich vor Freude einmal mit weit ausgestreckten Armen im Kreis.
    Dann wurde er plötzlich wieder ernst, und ihr war, als würde er in sich hineinhorchen.
    „Verflucht!“, stieß er aus. „Sie braucht meine Hilfe. Sie ist in Gefahr. Ich muss zu ihr.“
    Er drehte sich herum und rannte aus der Spelunke.
    Malinal schaute ihm kopfschüttelnd hinterher und schenkte sich selbst ein Glas von seinem Mezcal ein. Verdammt, sie wurde alt - und ihre Augen immer schlechter. Sie hätte schwören können, dass dem Verrückten tatsächlich gerade Flügel aus dem fersenlangen Mantel gewachsen waren, als er eben durch die Tür hinausrannte.

 
TEIL ZWEI
    GESUCHT

 
5 . KAPITEL
    Der Weg zurück
    Salzige Gischt sprühte Anya erfrischend ins Gesicht.
    Sie stand am Bug des Zweimasters, den Sergej gechartert hatte, und blickte gen Osten auf die im Schein der Nachmittagssonne wogende See herab. Hinter ihr ragten die weißen Klippen von Dover in die Höhe, und sie hatte das unbestimmte Gefühl, den Boden Englands nie wieder zu betreten. Ihr Verdacht, auch im Studio nicht sicher zu sein vor den Menschen oder was auch immer die Wesen waren, die sie aus ihr völlig unbekannten Gründen verfolgten, hatte sich bestätigt, als Sergej vergeblich versucht hatte, dort jemanden per Mobilfunk zu erreichen. Die Leitungen waren tot - und Anya hoffte, dass das Gleiche nicht auch für die Mädchen, Claire und Sergejs Kameraden galt.
    Sergej war aufgrund seiner Herkunft ein äußerst vorsichtiger Mann. Nicht im Kampf, da war er mutig und agierte ohne zu zögern; aber im Leben pflegte er die Dinge zu überdenken und mit dem Schlimmsten zu rechnen. Ein Teil dieser ausgeprägten Vorsicht zeigte sich, wie Anya inzwischen erfahren hatte, darin, dass er immer einen Fluchtplan in petto hatte ... und, egal, wohin er fuhr, auch einen Pilotenkoffer dabei. In dem Koffer waren diverse Kreditkarten, jede Menge Bargeld in verschiedenen Währungen, Gold, Diamanten ... und Munition. Wenn man ein Leben wie das seine führte, konnte man sich nicht nur auf Banken und Behörden verlassen.
    Noch in einem Vorort von Dover hatte er Anya einen Overall gekauft und Chucks, damit sie sich in Dover dann selbst passendere Klamotten für die Reise kaufen konnte: ein Paar robuste Jeans und feste Schuhe, drei Garnituren Strümpfe und Unterwäsche, zwei nicht zu dicke, aber auch nicht zu dünne Rollis und eine Windjacke. Auf Sergejs Anraten hin hatte sie auch noch einen langen Mantel, einen Schal, eine Wollmütze und Handschuhe gekauft - wofür sie jetzt, da sie an Bord des Schiffes stand und ihr der raue Seewind um die Nase wehte, sehr dankbar war.
    Sergej war die ganze Zeit während des Shoppens dabei gewesen - nach dem Vorfall im Herrenhaus wollte er sie nicht mehr aus den Augen lassen. Danach waren sie schnurstracks zu einem Gebrauchtwagenhändler gefahren, bei dem Sergej den Q7 für einen viel zu niedrigen Preis, aber dafür schnelles Bargeld verkauft hatte. Mit einem Teil dieses Geldes hatte er dann, nach einigen Gesprächen in einschlägigen Pubs und Kaschemmen, dieses Schiff mit verschwiegener Mannschaft gechartert. Es war ein Segler, der aber gleichzeitig über ausreichend Motorkraft verfügte, auch ohne oder gegen den Wind zu fahren.
    „Das ist zwar nicht der schnellste Weg nach Kiew“, hatte er Anya aufgeklärt, „aber der

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