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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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stehen.
    Udako wusste nicht zu sagen, ob dieses Zittern durch seine Schwäche verursacht wurde oder aber durch die Furcht vor seiner eigenen Entscheidung, den Versprechungen der fremden Frau zu vertrauen. Sie legte alle Zuneigung und alles Verständnis, die sie für den verstörten Jungen empfand, in ihre Stimme, als sie sagte: »Komm, Benjamin. Gehen wir.«
    Tatsächlich folgte ihr das Kind, wenn auch in gebührendem Abstand, während sie leise vor sich hin summend über die Hügel zurück in Richtung Stadt ging. Dabei wanderten ihre Gedanken zu Philippe. Sie verspürte eine nahezu schmerzliche Sehnsucht nach ihm, aber auch Zweifel, ob er zu ihr zurückkommen würde, wie er es versprochen hatte. Philippe wäre nicht der erste Weiße, der seine Versprechen brach.

Kapitel 13
    Berlin, Deutsches Reich,
März 1908
    Philippe unterdrückte das Verlangen, die Tür zum Arbeitszimmer seines Ziehvaters zuzuschlagen. Mit energischen Schritten durchquerte er die Halle und riss die Tür zur Bibliothek auf, wo er zwei Personen gegenüberstand, mit denen er nicht gerechnet hatte: die lustige kleine Schwester von Josephs Frau und Henriette Cronberg, an die er sich nur zu gut aus seinen eigenen Kindheitstagen erinnerte. Bei seinem stürmischen Eintritt hatten sich die beiden erschrocken umgedreht.
    Ein schweres Buch, das Demy auf ihrem Kopf balanciert hatte, fiel herunter, doch sie fing es reaktionsschnell auf. Einen Moment lang bedauerte Philippe, dass auch aus diesem lebhaften Mädchen eines dieser blutleeren, wohlerzogenen Püppchen werden sollte, wie es sie in den Häusern der Adeligen und des gehobenen Bürgertums zur Genüge gab.
    Er hatte eigentlich erwartet, Hannes hier anzutreffen, und wandte sich zum Gehen um, überlegte es sich dann aber anders. »Entschuldigen Sie die Störung … ich möchte mich von Fräulein Demy verabschieden«, erklärte er, und Henriette nickte in seine Richtung, was er als Aufforderung verstand, dies unverzüglich zu tun.
    Philippe streckte Demy die Rechte entgegen. Sie sah ihn misstrauisch an, während sich auf ihrer Nasenwurzel eine kleine Querfalte bildete. Ihre Vorsicht war in Anbetracht seines Verhaltens ihr gegenüber nur verständlich; dennoch legte sie ihre kleine Hand in seine. »Ich wünsche Ihnen eine gute Reise.«
    »Danke. Bleib, wie du bist. Diesem Haus tut es ganz gut, wenn wenigstens eine Person offen sagt, was sie denkt!«
    »Wann kommen Sie zurück?«
    »Das steht in den Sternen, schwarzes Schäfchen.« Er überhörte Henriettes warnendes Räuspern und zwinkerte Demy verschwörerisch zu, obwohl das aufgebrachte Funkeln in ihren blauen Augen nicht zu übersehen war.
    »Wie schade, dass Sie den Zeitpunkt Ihrer Rückkehr nicht vorherbestimmen können, denn dann könnte ich mich rechtzeitig auf Ihre uncharmante Gegenwart vorbereiten.«
    Der Offizier grinste, als die Gouvernante sich ein zweites Mal rügend räusperte, dabei allerdings amüsiert das Gesicht verzog. Er ließ die kindliche Hand los und verbeugte sich so galant, wie sie es ihm beigebracht hatte, vor der Erzieherin. »Es war mir eine Freude, Sie wiederzusehen, Frau Cronberg.« Damit deutete er über ihrer Hand einen Kuss an und fügte hinzu: »Viel Vergnügen mit dem kleinen Wildfang. Und tun Sie ihr, sich und mir einen Gefallen und lassen Sie ihr ein wenig von Ihrem Eigenwillen!«
    Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, hörte er, wie eines der teuren Bücher Meindorffs geräuschvoll auf den blank gebohnerten Parkettboden klatschte.
    Philippe fand Hannes im Blauen Salon, wo er über eine Berliner Zeitung gebeugt dasaß und aufmerksam einen Artikel zur Eröffnung eines neuen Bierbrauereibetriebes las.
    »Ein weiterer Konkurrent für die Fabrik meines Bruders«, sagte er, strich aber mit einer Handbewegung den kurzen Augenblick der Sorge beiseite. Er war nicht der Typ, der sich tiefschürfende Gedanken um irgendetwas machte. »Es war mal wieder ziemlich laut, dein Gespräch mit Vater.« Neugierig sah Hannes ihn an und rückte ihm mit der Schuhspitze einen Sessel zurecht.
    Mit einem Kopfschütteln trat Philippe an die Fensterfront. Er war viel zu aufgewühlt und verärgert, um es sich bequem zu machen. Er verstand durchaus, dass der Rittmeister sich nicht nachhaltig für ihn interessierte; er wünschte nur, sein Ziehvater würde im Gegenzug auch aufhören, sich ständig in sein Privatleben einzumischen und ihn mit Regeln und Verboten einzuengen. Er war erwachsen und würde seinen Weg gehen – wohin der ihn

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