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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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kann.«
    Elvira sah ihn zweifelnd an. »Sollten wir nicht doch besser nach Ihnen …?«
    »Lass man gut sein, Marjellchen«, mischte Jesko sich ein, »die Kurbischke hat schon Eberhard auf die Welt geholfen …«
    »Und die Basedow-Kinder hat sie auch geholt«, unterbrach Eberhard seinen Vater. »Diese Frau weiß, wie es geht.«
    Doktor Grüben musste lachen. »Ja, die Erna ist bekannt wie ein bunter Hund. Also machen Sie sich man keine Sorgen, Elvira.«
    Vorsichtshalber informierte Elvira sofort Josef, den Kutscher. »Wenn es bei der jungen Gräfin losgeht, fahr wie der Teufel und hol die Hebamme. Weißt du, wo sie wohnt?«
    »Wenn Se die Kurbischke meinen, die kenn ich. Machen Se sich man keene Gjedanken nich, Frau Gjräfin. Wie der Deuwel werd ich fahrn und se herbringen.«
    Zwei Tage später, es war der 20 . Februar, war es so weit. Der Frost hatte das Land fest im Griff. Das Thermometer zeigte minus zwanzig Grad, an den Fenstern wuchsen dicke Eisblumen, und ein eisiger Ostwind rüttelte an den Fensterläden. Schon seit ein paar Tagen hatte niemand das Haus verlassen, nicht einmal die Hunde wollten hinaus. Am frühen Nachmittag spielten die Herren mit Clemens eine Partie Whist, während Aglaia und Elvira am prasselnden Kaminfeuer saßen. Aglaia hatte die Augen geschossen, ihre Hände lagen gefaltet auf ihrem Bauch. Sie stöhnte leise auf. Ihr Atem kam flach und stoßweise.
    »Geht es dir nicht gut?«, fragte Elvira besorgt.
    »Ich weiß nicht recht, ich habe so ein Ziehen im Unterleib …«
    Elvira legte ihre Stickerei aus der Hand. »Wie lange geht das denn schon?«
    »Noch nicht lange … vielleicht eine halbe Stunde.« Ihr Stöhnen wurde jetzt lauter.
    »Es geht los!«, schrie Elvira. »Willi, sag Josef Bescheid. Er soll die Hebamme holen.« Eberhard schmiss seine Karten auf den Tisch und rannte statt Willi nach draußen.
    »Ach nein«, rief Ferdinand mit verschmitztem Grinsen, »wo ich gerade so ein gutes Blatt habe.«
    »Mein erstes Enkelkind kommt, und du denkst nur an deine guten Karten!«, Jesko war ehrlich empört, und Clemens sah Ferdinand an, als würde er an seinem Verstand zweifeln. »Also Ferdinand … wirklich!« war alles, was er herausbrachte.
    Der brach in lautes Lachen aus. »Nun macht aber mal ’nen Punkt. Den Robber hätten wir doch wirklich noch zu Ende spielen können. Meint ihr, Josef wäre langsamer, wenn Willi ihm Bescheid gesagt hätte?« Er winkte den Diener heran. »Bring uns mal ’ne Flasche Port, damit wir hier die Aufregung besser verkraften.«
    Die Gänge des Schlosses wurden lebendig. Dienstmädchen rannten mit sauberen Handtüchern in den ersten Stock, und in großen Kannen wurde heißes Wasser herangeschleppt. Aglaias Stöhnen war lauter geworden. Elvira saß an ihrem Bett, wischte ihr die schweißnasse Stirn mit einem feuchten Tuch und sprach beruhigend auf sie ein. »Die Hebamme wird gleich da sein. Versuch ruhig zu atmen … alles wird gut.« Unruhig spähte sie immer wieder auf die zierliche Standuhr auf der Kommode. Erst zwanzig Minuten waren vergangen, und Elvira erschien es wie Stunden. ›Mein Gott, wenn der Schlitten im Schnee stecken bleibt – was mache ich dann nur?‹, dachte sie. Noch nie war sie bei einer Geburt dabei gewesen.
    Britta, eines der Dienstmädchen, das sich im Hintergrund des Zimmers zu schaffen machte, schien Gedanken lesen zu können. Leise sagte sie: »Machen Se sich man keine Sorgjen nich, Frau Gjräfin. Ich kenn mir mit so was aus. Ich helf Ihnen, wenn de Kurbischke nich rechtzeitig da is.«
    »Danke, Britta.« Elvira atmete erleichtert auf: »Das ist wirklich eine große Beruhigung für mich.« Die Männer im Salon waren schon bei der zweiten Flasche Port, als Willi die Hebamme meldete.
    »Frau Kurbischke, na endlich!« Eberhard stürzte in die Halle. »Gott sei Dank sind Sie da. Meine Frau muss sich ja furchtbar quälen. Hören Sie sie schon? Einfach schrecklich, wenn man so gar nichts tun kann.«
    Erna Kurbischke, eine kleine rundliche Frau Mitte fünfzig mit roten Apfelbäckchen und fröhlich blitzenden Augen, schälte sich in Windeseile aus ihrem dicken Mantel, vertauschte die Fellmütze mit einem weißen Häubchen und schlüpfte in einen sauberen Kittel. »Bist wohl mächtig aufgjeregjt, Jungchen?«, fragte sie und tätschelte Eberhards Wange. Sie duzte alle, denen sie auf die Welt geholfen hatte, egal ob Bauer, Graf oder Fürst. »Is gjanz normal. Nimm man noch en Schlubberchen, das wird dir beruhigjen«, sagte sie und eilte die Treppe

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