Himmel un Ääd (German Edition)
gehen, wenn ich Martha vermisste!
Im Augenblick
jedenfalls konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mit ihr und der
Familie im Feld bei der Kirschenernte zu sein. Stattdessen bog ich in den
Kiesweg ab, der zum Obstbauernhof Schneider führte.
Ich parkte das
Cabrio neben dem staubbedeckten Fendt-Trecker der Schneiders und lief hinüber
zu der großen Halle, wo Erntehelfer Paletten mit Früchten stapelten. Schneider
baute Lambadas an, eine besonders aromatische Erdbeersorte, die es auf dem
Großmarkt nicht zu kaufen gab. Selbst als tiefgefrorenes Püree bewahrten diese
Früchte einen wunderbaren, ganz intensiven Geschmack. Wir benutzten sie in der
»Weißen Lilie« das ganze Jahr über, um daraus Fruchtsoßen oder Sorbet zu
machen.
Mit einem Pfund
Erdbeeren im Bauch und zehn Kilo davon im Kofferraum machte ich mich eine
Stunde später auf den Rückweg. Wieder dachte ich an Ecki. Hatte Adela recht?
Konnte ich meine Verletzungen hintanstellen, bis klar war, ob er Minka
umgebracht hatte oder nicht? Adela war von Eckis Unschuld felsenfest überzeugt,
so wie auch ich lange nicht geglaubt hatte, dass Ecki einen Mord begehen
könnte. Aber je mehr ich über ihn und Minka erfuhr, desto mehr erinnerte ich
mich an ein Erlebnis, dass ich bis heute erfolgreich verdrängt hatte.
Brüssel im Sommer
2002. Ich arbeitete dort im »La Maison du Cygne«, Ecki in der »Taverne du
Passage«. Das sollten unsere letzten Stationen in fremden Küchen sein, bevor
wir uns mit einem eigenen Restaurant selbstständig machen wollten. Der Tag, an
dem diese Pläne wie ein Kartenhaus zusammenstürzten, war ein Sonntag.
Ecki und ich
hatten gemeinsam frei, was in unserer Branche selten genug vorkam. Das
strahlende Sommerwetter empfanden wir als i-Tüpfelchen. Wir machten, was viele
Brüsseler an einem schönen Sonntag taten. Wir spazierten durch den Parc de
Bruxelles, kauften uns in einer der Buden eine belgische Waffel und
schlenderten dann zu dem alten Jugendstil-Pavillon in der Mitte des Parks, wo
es wie jeden Sonntag »Tango avec Rashid« gab. Aus einer schmalbrüstigen
Verstärkeranlage knisterten argentinische Tangoklänge, und für ein paar Euro
konnte jedes Paar hoch in den Pavillon klettern und mittanzen. Rashid erklärte
die Schrittfolge im Schnelldurchlauf, und dann ging es los.
»Komm, Kathi, wir
probieren's«, schlug Ecki vor, klopfte sich die Puderzuckerfinger an der Hose
ab, griff nach meiner Hand, und eh ich mich versah, schoben wir uns über die
Tanzfläche. Eine kantige Angelegenheit, weil ich mich nicht von Ecki führen
ließ und wir deshalb immer wieder aus dem Takt gerieten. Was soll's?, dachte
ich. Nicht jedes Paar muss Tango tanzen können.
Mich drängte es
schnell von der Bühne runter, doch Ecki nahm das Angebot von Rashids Partnerin
zu einem neuen Tanz an. Als Zuschauerin sah ich nicht ohne Neid, wie sich die
beiden, einander tief in die Augen blickend, im Takt wiegten. War ich
eifersüchtig gewesen? Vielleicht ein bisschen, vielleicht war ich aus diesem
Anlass auf dem Heimweg auf unsere Zukunftspläne zu sprechen gekommen.
»Geh, Kathi, wieso
kannst nicht einmal den lieben Gott einen guten Mann sein lassen? Wir haben
frei, das Wetter ist schön, Brüssel wunderbar. Was willst mehr?« Solche Sprüche
hörte ich nicht zum ersten Mal. Unser Jahr in Brüssel war fast vorbei, Angebote
für ein Lokal in Wien lagen vor, wir mussten Entscheidungen treffen.
»Geh, lass uns ein
Schwarzbier im ›A Mort Subite‹ trinken«, war Eckis Antwort.
Der »plötzliche
Tod« unserer Beziehung kam schnell und war furchtbar. Nach dem Schwarzbier
stritten wir uns den ganzen Weg bis zu unserer kleinen Wohnung in der Rue de la
Loi. Dort angekommen, nuschelte Ecki etwas von Bombay und der Sehnsucht nach
fernen Ländern, und als ich nachbohrte, gestand er, dass er eine Stelle im »Taj
Lands End« angenommen hatte. Eine Stelle in Bombay, wo wir seit Monaten über
das gemeinsame Beisel in Wien redeten!
Weil ich ihm die
Luft abschnürte, weil ich sein Leben verplante, weil ich eine dominante
herrschsüchtige Frau war, weil ich immer nur die Arbeit und nie das Vergnügen
sah, erklärte er trotzig. Ich war so wütend, dass ich ihm eine knallte. Und da
rastete Ecki aus. Er schlug zurück, und dann prügelte er los wie ein aus dem
Ruder laufender Boxer. Erst nachdem er mich gegen einen Bettpfosten geknallt
und ich für einen Moment die Besinnung verloren hatte, wehrte ich mich.
Irgendwie schaffte ich es, ihn vor die Tür zu drängen und
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