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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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setzte ich mich energisch auf. Die sollten ja nicht glauben, sie könnten mir ein X für ein U vormachen! Noch war ich Frau meiner Sinne. Wenn die meinen Schädel so lange untersuchten, dann war das nicht nur der übliche Schwindel nach der Chemo.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Doktor Kuchenmeister. Mit der Spule war etwas nicht in Ordnung. Wir müssen Sie leider noch einmal reinschieben und die Untersuchung wiederholen …«
    Eine liebe Kollegin war von hinten an mich herangetreten und strich mir sanft über den Rücken. »Das Gerät spinnt irgendwie. Entschuldigung. Nun rauben wir Ihnen unnötig Zeit. Ihr Mann hat uns schon erzählt, dass Sie gleich essen gehen wollen! Der Pippo soll ja eine ganz besonders schmackhafte Pasta machen …«, plauderte sie so harmlos wie möglich vor sich hin, während sie das nächste CT vorbereitete.
    Inzwischen hatte ich ein sehr ausgeprägtes Gespür für Gefahr. Die Ausrede kannte ich. Wir benutzten sie ja selbst, damals im Krankenhaus, unseren Patientinnen
gegenüber, wenn was faul war. Um die Sache noch mal zu überprüfen.
    Sie schoben mich wieder in die Röhre.
    Diesmal schaffte ich es nicht, mich gedanklich wegzubeamen. Was, wenn jetzt auch noch was im Kopf saß? Was, wenn ich Metastasen hatte? Was, wenn es ein Gehirntumor war? OH GOTT. Bitte alles, nur das nicht. Die Kinder brauchten mich doch! In zwei Wochen war Weihnachten! Wir hatten noch keine Geschenke, geschweige denn Winterschuhe … Tief ein-und ausatmen, Konstanze. Atmen. Weiterleben.
    Die Eltern standen doch bereits auf der Matte, und der Tannenbaum lag schon in der Garage! Die Kiste mit den Christbaumkugeln … Ich zwang mich, jede einzelne Christbaumkugel in Gedanken aus der Kiste zu nehmen und an den Baum zu hängen. Erst die rote. Dann die goldene. Dann das Lametta … Nein, geschmacklos. Das Lametta nicht in diesem Jahr. Ich fühlte, wie mir das Lametta an den Fingern klebte. Los, weg damit! Ich habe doch nur eine Stunde, um den Baum zu schmücken! Für die Christbaumspitze brauche ich die Leiter. Ich trage sie mit Stefan zusammen aus der Garage. Vorsicht, das Parkett! Ich klettere vorsichtig darauf. Stefan hält die Leiter fest. Stefan hält mich fest. Stefan ist bei mir. Stefan lässt mich nicht fallen.
    Es ruckelte. Die Leiter …? Es wurde hell. Die Kerzen?
    Mein Herz pochte dumpf. Meine Zunge schmeckte nach alter Schuhsohle, als sie mich ein zweites Mal herauszogen.
    Je länger die Assistentinnen an dem Gerät herumhantierten
und je länger die nette Kollegin auf die Bilder starrte, desto sicherer war ich mir:
    Da war was faul.
    »Wir können das noch nicht auswerten«, murmelte eine Assistentin Stefan zu, der gerade nach einem Telefonat mit seinen Eltern hereingestürmt kam. »Alle Werte von Leber, Lunge und Unterleib sind in Ordnung, aber hier … müssen wir die Kollegen zurate ziehen.«
    Mein Herz bäumte sich auf. Es wollte mir aus dem Körper springen. Es wollte nicht mehr.
    »Bleib ganz ruhig, Konstanze«, sagte Stefan. »Ganz ruhig. Bald ist Heiligabend. Bald ist dieses schreckliche Jahr zu Ende. Bald hast du es geschafft.«
    »Ich BIN ganz ruhig«, sagte ich. Das war das Ende, das Aus.

31
    Drei Ärzte fanden sich mit fliegenden Kitteln vor dem PC ein. Ich roch drei verschiedene Rasierwässer, denen es nicht gelang, den Geruch von Schweiß zu überdecken.
    Ihre Blicke flackerten wie eine Kerze, die gleich verlischt.
    »Frau Doktor - Herr Kuchenmeister …«
    Die sympathische Frau Doktor, die soeben noch von den Spezialitäten des Italieners Pippo geschwärmt hatte, als wenn es nichts anderes zu besprechen gäbe, hielt die Auswertung meines Schädel-CTs in den Händen. Mit geübtem Griff hängte sie die Röntgenbilder auf. Darauf sah man meinen Schädel, perfekt aufgeschnitten wie eine ungarische Salami.
    Ich sah ihn sofort. Kinderfaustgroß.
    »Was ist los?« Stefan war aufgesprungen und wischte sich seine verschwitzten Hände am Hosenboden ab.
    »Lassen Sie uns nicht lange um den heißen Brei herumreden«, sagten die drei Kollegen unisono. »Er sitzt im Hirn.«
    Ich hatte es gewusst. Ich hatte es die ganze Zeit gewusst!
    »Der GEHIRNTUMOR ist groß wie eine Kinderfaust.
Es kommt nur ganz selten vor, dass nach einem Gebärmutterkarzinom auch noch das Gehirn von einem Tumor befallen wird. In zwanzig Jahren Berufserfahrung haben wir so etwas noch nicht erlebt.«
    »Aha«, sagte ich. In dem Moment ertönte ein dumpfer Knall.
    »Stefan …? STEFAN!«
    Stefan war einfach umgekippt. Reglos lag

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