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Himmelreich

Himmelreich

Titel: Himmelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Dobelli
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bedrucktes Papier, das mehr an Kunststoff erinnert als an Toilettenpapier, zum Beispiel, oder an Kleenex. Ich spüre mit Gummibändern zusammengehaltene Bündel, dicht gepackt, beinahe gepreßt, Bündel mit dem Gewicht von Holzklötzchen. Was in der schwarzen Nylontasche steckt, ist weder warm noch kalt, weder scharfkantig noch weich. Wenn ich meine Hände aus der Tasche ziehe und daran rieche, so riecht es, außer nach mir, nach nichts. Auch Josephine will in die Tasche greifen. Sie steckt die rechte Hand hinein, während sie mit der linken lenkt. Ich denke mir: Es ist selten, daß eine Million Euro so daherkommt. Normalerweise begegne ich Millionen als Kontobeständen oder als Häusern, als Zahlen auf einem Bildschirm oder als Maschinen, als Fabriken, als Land. Aber eine Million in Scheinen, das ist eine Kunstform! Ich wühle noch eine Weile in der Nylontasche und entdecke keinerlei zusätzliche Gefühle, keine anderen Regungen, außer der Frage, wie wir dieses Geld so schnell wie möglich und so spurlos wie möglich wieder loswerden.
    Autobahnbelag mit Luftspiegelung, Asphalt, weich wie schwarze Schokolade in der Sonne. Links und rechts die spanische Wüste. Ich weiß nicht, weshalb mir Sievers in den Sinn kommt, mein Vorgesetzter, CEO und Aufsichtsratspräsident in einem, jetzt mitten auf dieser flimmernden Autostraße. Ein Mann mit schwerem Schritt, was nicht allein an seinem Alter liegt. Ein Mann von erbarmungsloser Geradlinigkeit in geschäftlichen Dingen, aber menschlich, dazu gutaussehend, ein außerordentlich gepflegter, ja geradezu anmutiger Mensch, der über einen nie versiegenden Charme verfügt. Sievers kann sogar überaus liebenswürdig sein, wenn man seine Hilfe braucht, aber stets hat man das Gefühl, er nähme einen dabei gar nicht wahr. Er trägt sie perfekt, jene dunklen, englischen Anzüge aus den schweren Stoffen, die ich nicht tragen kann: maßgeschneidert, den ersten Knopf seines rechten Ärmels daher immer aufgeknöpft, die Nadelstreifen wie mit Kreide gezogen, die Manschettenknöpfe aus Silber und groß wie Fingerhüte, die Hemden, ja die blütenweißen Poschetten mit diskret eingesticktem Monogramm. Ich denke, man muß in England aufgewachsen sein, um diese Stoffe zu tragen, ohne dabei wie ein Operettensänger auszusehen. Jede seiner Bewegungen ist von exquisiter Sparsamkeit. Man sagt ihm nach, er sei entfernt mit der Besitzerfamilie der Bank verbunden. Old Money - eigentlich sieht man es ihm an, Old Money, im Gegensatz zum Neureichtum. Es sind diese Nuancen der Tradition, die in meiner Heimat eine nicht unerhebliche Rolle spielen: Neues Geld ist besser als kein Geld, aber nichts ist besser als altes Geld, selbst wenn es wenig ist. Seine Begeisterung für die Akquisition, wie gesagt. Eine Niederlassung in den USA, jetzt im Zug der Globalisierung ein Muß, und statt eine eigene Niederlassung zu eröffnen gleich eine ganze Bank kaufen. »Und Sie, Herr Himmelreich, sind der perfekte Mann für die Integration.« Ich lachte - vor dem ganzen Aufsichtsrat, was mir noch nie vorher passiert war -, und es bedurfte einer Menge Fingerspitzengefühl, mich durch das Unterholz ihrer schmeichelnden Argumente hindurchzukämpfen. Ich schlug ihnen vor, jemanden auszubilden, der dann die Integration leiten könne, was natürlich eine Schnapsidee war, denn ich war, objektiv betrachtet, wirklich der geeignete Mann. Ich kenne New York aus meiner Zeit als Austauschstudent an der Columbia vor über zwanzig Jahren und von den unzähligen Besuchen, Meetings und Konferenzen; ich kenne die Amerikaner, insbesondere die Amerikaner als Mitarbeiter, die man wie eine Herde ungezügelter Arbeitspferde, workhorses, zu führen hat - mit Zuckerbrot und Peitsche, hauptsächlich mit Peitsche. Außerdem weiß ich, wie man zwei Firmen zusammenführt. Ich habe es schon oft genug getan, ausnahmslos mit Erfolg. Aber ich hatte ganz einfach genug davon, schon wieder umzuziehen, mich wieder neu einzurichten, wieder auszumachen, wo sich die nächste chemische Reinigung befindet, die Apotheke, ein Hausarzt, dem zu vertrauen ist, wohin mit dem Abfall, woher eine Putzfrau und so weiter; ich war mit Geld oder internationalen Herausforderungen schlicht und einfach nicht mehr zu motivieren, ich war es müde, schon wieder unbekannten Leuten unsere Vision zu predigen (»Private Banking with a Personal Touch«), wieder auf Empfängen und Anlässen zu stehen mit einem Glas Weißwein in der Hand (»Und was machen Sie beruflich?«), um sie, nach

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