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Himmelreich

Himmelreich

Titel: Himmelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Dobelli
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schweifförmigen Antennen. Seither nur noch Satellitenkrüppel im Orbit.
    Wolken wie Quallen.
    Ich habe mich schon oft gefragt, was Leute meinen, wenn sie von Gefühl reden. Zum Beispiel Josephine. Dem Herzen folgen. Was heißt das? Ich weigere mich, zu fühlen, was ich nicht denken kann. Gefühl, wenn es auf Kosten der Vernunft geht, ist nicht Empfindung, sondern Bequemlichkeit. Was heißt: mit dem Herzen sehen? Wie genau funktioniert das? Ich bin es gewohnt, Ziele zu haben. Aus irgendeinem inneren Antrieb heraus Dinge zu tun oder zu lassen ist Mystik. Wofür soll denn das gut sein: Inspiration? Mir mangelt es nicht an Ideen, im Gegenteil, mir mangelt es an Zeit, meine Ideen umzusetzen. Da kann ich einen Sonnenuntergang betrachten, so lange ich will, nichts setzt sich dadurch in Bewegung. Außerdem: Die Zeit vergeht nicht langsamer, nur weil man fühlt. Ich wittere eine Falle, wo Frauen überschwenglich von Gefühlen reden, und sei's bei einem Dinner. Dazu braucht es nicht einmal Kerzen auf dem Tisch. Ich meine, Emotionen hat jeder, die Frage ist nicht, Emotionen ja oder nein, sondern ob man sich von ihnen vergewaltigen läßt. Die romantischsten Frauen sind übrigens nicht jene, die meinen, sich von den winzigsten Regungen verleiten lassen zu müssen. Frauen im Zustand der Empfindsamkeit empfinde ich als unattraktiv, nicht nur sexuell. Ich möchte dann am liebsten ins Geschäft. Das ist doch ein Zeichen von Reife: daß man weiß, was man will. Instinkt, geradezu tierisch. Keine Frage: Lust ist nicht zu verachten, wenn sie uns weiterbringt, zum Beispiel in Sachen Fortpflanzung. Aber dort, wo Lust in reine Faselei abrutscht, wird sie unergiebig. Die Tränen einer Frau zum Beispiel sind kein Anlaß für Gefühle, sondern für Handlung. Warum sich Gefühle einreden, wo keine sind? Gefühle - der Dow Jones einer Beziehung! Der Irrtum der Frau: daß der Mann, wenn er von Gefühlen spricht, sie auch hat! Ich behaupte, von mir sagen zu können, daß ich einen durch und durch vernünftigen Lebenswandel führe. Entscheidungen, zum Beispiel eine Anschaffung betreffend oder wie eine Woche auszufüllen sei, auch, welche Leute man trifft und welche Leute man nicht trifft, sind keine Sache von Stimmung. Es gibt so etwas wie offensichtliche Vor- und Nachteile, die eine Entscheidung geradezu erzwingen.
    Was ist denn so falsch an der Vernunft? Entscheiden aus reiner Lust, aus einer inneren Anwandlung heraus, das ist doch lächerlich. Wo, bitte schön, ist der Beweis, daß Gefühlsmenschen glücklichere Menschen sind? Darauf läuft doch die ganze Argumentation hinaus. Wo wären wir heute, wenn unsere Vorfahren ihren Launen gefolgt wären? Keine Schraube an diesem Flugzeug ist aus purer Laune dort, wo sie ist, sonst gäbe es diesen Flug nicht. Besonders bei jungen Leuten zu beobachten: der Irrglaube, Arbeit setze voraus, daß man sich zuerst in sie verliebe, bevor man sie anpackt. Woher dieses irre Bedürfnis nach Begeisterung? Natürlich gibt es Dinge, die man lieber tut als andere. Nicht jeder ist der geborene Bauer, nicht jeder der geborene Bäcker, nicht jeder der geborene Banker. Natürlich. Aber warum Bestimmung? Warum Berufung? Aus den Lebenszielen folgen die Jahresziele, aus diesen die Monatsziele und so weiter bis hinunter zum Moment. So einfach. Eine Kaskade der Logik. Das Leben ist nun einmal kein Gefühlsbad. Wer seine Lebensziele nicht kennt, der hat nicht genug darüber nachgedacht. So einfach. Als Topmanager bin ich es gewohnt, zu führen. Ich kann es nicht leiden: dieses Treiben in den Tag hinein, ziellos, nur damit Zeit vergeht. Leben aus reiner Lust, respektive Lust aus dem einfachen Tatbestand, daß man lebt, das ist doch lächerlich. Wer nicht führt, wird geführt, und sei es durch die Umstände. Durch die große, blaue Welt zu schlendern, ohne Richtung und ohne Ziel, das hält kein vernünftiger Mensch aus. Ich bin nicht, was Josephine von mir denkt. Ich bin kein romantischer Mann. Da ist kein Vakuum, das erst noch mit Gefühlen ausgefüllt werden müßte. Ich bin, der ich schon immer gewesen bin - ein Mann der Vernunft. Nicht mehr, nicht weniger. Gefühle sind wichtig im Umgang mit anderen, aber warum selbst welche entwickeln? Gefühle, das ist unsauberes Denken, meine ich. Außerdem machen sie müde. Genug Zeit für Gefühle im nächsten Leben.
    Ein strahlender Morgen, Wind vom Meer her, man sieht es nicht, das Meer, aber ich kann es riechen, diese feuchte, würzige Luft. Frühling. Kaum Verkehr, wir fahren

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