Himmelreich
haben mich schon einmal verarscht!«
Der trockene Schall des Megaphons, der sich zwischen den Booten verliert.
»Ich weiß, was hier gespielt wird. Ergeben Sie sich! Es hat keinen Sinn! Die Hafenanlage ist umstellt!«
Das Glucksen unter dem schwimmenden Steg.
»Und Sie, Frau Hofmann, sind mittlerweile ebenfalls identifiziert.«
Und dann, nach einigem Knacksen, in heimatlichster Mundart: »Himmelreich, kommen Sie endlich heraus!«
Ich muß eingeschlafen sein. Das Kreischen der Vögel am anderen Morgen. Ich öffne die Luke. Ein greller Himmel. Tuckern. Erster Verkehr im Hafen, Fischerboote. Josephine schläft. Ich löse die Taue, und wir gleiten langsam aus unserem Slip. Eine Weile lang treiben wir steuerlos im Hafen umher, bis es mir gelingt, den Innenborder anzuwerfen. Viel Diesel ist nicht mehr drin, aber es reicht, um den Leuchtturm der Hafeneinfahrt zu passieren. Eine Stunde später befinden wir uns auf hoher See. Das Segel flattert im Licht der aufgehenden Sonne. Lissabon, eine großartige Stadt, ich kann nicht umhin, es immer wieder auszusprechen. Wir pflügen weit und weiter hinaus. Ich bin selbst überrascht, wie gut das Zusammenspiel zwischen Segel und Steuer klappt, das muß Zufall sein, denn ich verstehe nichts vom Segeln, aber es geht vorwärts, das sehe ich selbst, und so bin ich entschlossen, diese Ruder- und Segelstellung zu halten, weil alles so schön funktioniert.
Warten, bis der Wind wechselt und irgend etwas Neues von mir fordert.
Alles wie ein Traum.
So sitze ich im Nadelstreifenanzug hinter dem Steuerrad, darauf bedacht, möglichst eine Richtung zu halten, welche, ist nebensächlich, Hauptsache vorwärts. Ich beobachte das Segel, das sich prächtig wie ein Heißluftballon füllt. Ich höre das Rauschen des Wassers, wie es sich um den Rumpf herum-zwängt, manchmal ist es ein Sprudeln, manchmal ein Zischen. Das Meer, blau und weit wie eine Verheißung, der Wellengang sanft, aber mächtig, Walzen, majestätisch wie die Rolling Hills Südenglands. Geheimnisvoll schwellende Formen von Weiß und Glitzer. Die Sonne kommt nicht zu Ende mit dem Höhersteigen. Gegen Mittag erwacht Josephine.
Time to Destination: 2 Hours 30 Minutes.
Seatbelt Sign ausgeschaltet. Das waren kaum Turbulenzen. Einmal ein kleiner Ruck, der vermutlich durch das Kreuzen der Flugbahn einer anderen Maschine ausgelöst wurde.
Reiseflughöhe noch immer 33 000 Fuß.
Noch gut zweieinhalb Stunden trennen mich von der Zukunft.
Es lohnt sich nicht, wegen eines Seatbelt Signs die Augen mehr als einen Spaltweit zu öffnen.
Auf einmal dieser Wind, dieses Licht, diese Weite. Für eine Weile - zwei oder drei Tage - war Portugal noch als feiner Strich am Horizont vorhanden, als Herdplatte, über der die Sonne allerlei Wolkenzauber zum Kochen brachte. Dann kein Land mehr in Sicht. Nur noch die Würde des Meeres. Wir segeln, als wäre es eine tief in uns angelegte Fähigkeit, eine, die nur noch dieses Bootes bedurfte, um zur vollen Entfaltung zu gelangen. Schon nach kurzer Zeit beherrschen wir die Wende. Josephine löst die Schot auf einer Seite, während ich das Steuer umreiße, dann zieht sie sie auf der anderen Winde wieder fest. Nach fünf Tagen nennt sie mich, wie Columbus zeit seines Lebens genannt sein wollte: Admiral. Noch nie fühlte ich mich so sehr über Kleinigkeiten erhaben.
Was ich nie begriffen habe: Backbord und Steuerbord. Unser Steuer ist hinten im Cockpit in der Mitte. Das gibt keinen Hinweis, was mit Steuerbord gemeint sein kann. Wir einigen uns darauf, die beiden Seiten des Bootes links und rechts zu nennen.
Wenige Tage später mußte jeder größere Hafen von einem gestohlenen Einmaster namens CASANOVA wissen. Ein 54-Füßer Typ Beneteau unter portugiesischer Flagge. Heimathafen: LISBOA. Es war ihre Idee, die Vertauschung der Buchstaben. Passend, fand ich: NOVACASA. Und der Heimathafen war ab sofort ISLA BO. Wir redeten uns ein, daß es irgendwo in Südamerika wohl einen solchen Hafen geben müsse. Leider fehlte uns noch mindestens ein Buchstabe, um dem Namen einen Sinn zu verleihen, aber es würde halt ein regionaler Dialekt sein, das BO. Wir zogen die silbernen Lettern sorgfältig aus dem Holz und nagelten sie in der neuen Kombination wieder hin. Als wir nach einer Woche erstmals in einen Hafen einliefen, der sich nachträglich als Fuerteventura herausstellte, liefen wir mit dem Besitzerstolz auf unser eigenes Schiff ein. Noch am gleichen Abend, in einem Delikatessengeschäft, entführten wir eine Flasche
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