Himmels-Taler
musterte, was er in das Erdreich gekratzt hatte. Es lautete:
GERIPPE – SCHLÜSSEL ZUM HIMMELSTALER
Ganz klar, es war eine Nachricht! Aber was hatte sie zu bedeuten? Keiner von beiden konnte sie verstehen.
Langsam wurde es spät. Sie hatten den ganzen Tag mit der Suche verbracht. Aber Dolph war zufrieden, weil er weitergekommen war als alle anderen vor ihm. Sie waren auf eine Botschaft gestoßen, die der gute Magier selbst hinterlassen hatte, und mit Sicherheit war es zugleich die Mitteilung, wo man ihn finden konnte. Jetzt mußten sie nur noch die Nachricht entschlüsseln.
»Schlüssel, Gerippe«, sagte Dolph. »Hat das irgend etwas mit dir zu tun?«
Marks Tonfall war ein deutlicher Hinweis darauf, daß er lächelte. »Nein, ein ›Gerippe-Schlüssel‹ ist ein magischer Schlüssel, der in jedes Schloß paßt. Offensichtlich kann nur ein solcher Schlüssel das Schloß des Himmelstalers öffnen, was immer das sein mag.«
»Also müssen wir erst den Gerippe-Schlüssel finden. Aber der könnte ja irgendwo versteckt sein!«
»Mir fällt ein…«
»Ha! Du hast eine Idee! Das merke ich!«
»… daß es nämlich vor der Küste Xanths eine Bucht der Gerippe gibt.«
»Eine Bucht aus Gerippen?«
»Wie ich gehört habe, gibt es Inseln, die aus den Gerippen von Seegetier bestehen, beispielsweise Korallen.«
»Wie die Gehirnkoralle? Ich glaube nicht…«
»Nein, andere Korallenarten. Die sind nicht schlau, die bilden lediglich Riffe oder Inseln. Vielleicht ist auch das damit gemeint…«
»Eine Bucht aus Gerippen!« rief Dolph.
»Vielleicht müssen wir uns nur eine der Inseln anschauen, dann haben wir den Schlüssel zum Himmelstaler.«
»Großartig! Nichts wie hin!«
»Leider…«
Dolph wartete ab. Die Unfähigkeit des Skeletts, gleich im ersten Anlauf einen Gedanken zu formulieren, mochte vielleicht damit zu tun haben, daß sein Kopf hohl war. Dolph entdeckte langsam, daß ein gewisses Maß an Toleranz einem die Sache erleichterte.
»… gibt es, wie ich schon sagte, vor der Küste Xanths gleich mehrere solcher Buchten«, schloß Mark. »Wir könnten Schwierigkeiten haben, festzustellen, welches die richtige ist.«
Dolph überlegte. »Nun, die Nachricht ist von Westen nach Osten geschrieben, wenn ich also im Osten weiterlesen würde, müßten wir dort den Himmelstaler finden.«
»Ich bin mir nicht sicher, daß das Sinn ergibt.«
»Bestimmt!« meinte Dolph. »Welche Bucht liegt denn östlich von hier?«
»Nun ja, ganz allgemein gesprochen ist da die Insel der Illusion…«
»Dann gehen wir dorthin!« rief Dolph.
»Aber wir wissen doch nicht einmal, ob die Nachricht überhaupt für uns bestimmt ist!« protestierte Mark. »Vielleicht bezieht sich der Himmelstaler ja auf etwas völlig anderes!«
»Unsinn«, versetzte Dolph. »Der Gute Magier Humfrey hat immer genau gewußt, was er tat.« Doch während er das sagte, fragte er sich, wie Humfrey dann von dem heiligen Rauch überrascht werden konnte.
»Eine derart rätselhafte Nachricht, noch dazu so gut versteckt…«
»Das hat er getan, damit nur die richtige Person sie finden oder verstehen kann«, meinte Dolph zuversichtlich. »Und offensichtlich bin ich diese Person. Morgen reisen wir zur Insel der Illusion. Oh, meine Mutter kriegt einen Anfall!«
»Ganz bestimmt«, meinte Mark resignierend. Es war offensichtlich, daß das Skelett diese Entwicklung ebensowenig vorhergesehen hatte wie Königin Irene. Das entzückte Dolph; nun konnte er endlich seine eigene Queste ausführen und in unbekanntes Gebiet vorstoßen. Das war das schiere Abenteuer!
3
Vila
Am Morgen machten sie sich auf die Reise zur Insel der Illusion. Dolph hatte eigentlich vorgehabt, dorthin zu fliegen, doch als er sich in den Rokh verwandelte, mußte er feststellen, daß seine Flügelmuskeln von den Anstrengungen des Vortags völlig wund waren. Er war ja kein richtiger Rokh, und es fehlte ihm an Ausdauer; außerdem flog er noch immer ziemlich unbeholfen.
Sie folgten dem Verzauberten Pfad nach Norden und dann, als sie an eine Kreuzung kamen, nach Osten. Das war der Pfad, den Esk und Chex benutzt hatten. Er hatte sie im magischen Teppich gesehen. Esk war offenbar ein wirklich guter Kumpel gewesen. Dann hatte er sich mit dem Messingmädchen Bria eingelassen und wurde völlig verweichlicht. Dolph wußte, daß er sich niemals von irgendeinem dämlichen Mädchen verweichlichen lassen würde; er wußte, wie Mädchen waren: wie seine arrogante große Schwester! Kein Junge, der noch bei
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