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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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dem Schreibtisch lag, und schrieb seinen Namen unter das Foto. Mit diesem Stück Papier kehrte er in die Wirklichkeit zurück. Ganz offiziell!
    »Keinen Finger hätte ich für Sie krummgemacht«, sagte Monsieur Philibert. »Aber meine Nichte hat mich angefleht, Ihnen zu helfen. Sie hat sogar gedroht, sich was anzutun, wenn ich ihr die Bitte abschlage.«
    »Ic h … ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, stammelte Harry.
    »Nehmen Sie den Wisch und verschwinden Sie! Bevor ich es mir anders überlege!«
    Eilig faltete Harry den Pass zusammen und steckte ihn ein. »Lassen Sie mich bitte sagen, wie sehr ich zu schätzen weiß, dass Sie trotz alle m …«
    »Raus!«
    Auf dem Absatz machte Harry kehrt und stolperte zur Tür. Er konnte diesen Raum gar nicht schnell genug verlassen. Seine Hand zitterte, als er nach der Türklinke griff.
    »Halt!«
    Als hätte ihn jemand beim Stehlen erwischt, fuhr Harry herum. Monsieur Philibert trat auf ihn zu, die Augen zu zwei gefährlichen Schlitzen verengt.
    »Eine Frage habe ich noc h – von Mann zu Mann.« Er war jetzt so nah, dass Harry sein Rasierwasser riechen konnte. »Wie machen Sie das eigentlich, dass die Frauen so verrückt nach Ihnen sind?«
    20
    Dr. Retroverria führte Laura durch den Park zu einem Seerosenteich.
    »Wollen wir uns setzen?«
    Seit Beginn ihrer Gefangenschaft war es das erste Mal, dass sie hinaus ins Freie durfte. Mit ihrer Puppe in der Hand nahm sie Platz auf der Bank, die der Arzt mit einem Taschentuch für sie gesäubert hatte. Eine seltsame, ungewohnte Ruhe kehrte in ihr ein. Hier draußen sah es genauso aus, wie die Welt sich angehört hatte, als sie in ihrem Zimmer aufgewacht war und Geraldine an ihrem Bett saß. Alles war so sauber und rein wie ein Sonntagvormittag. Sogar eine Kutsche rollte den Weg entlang. Es fehlte nur das Läuten der Kirchenglocken.
    »Für wen ist die Puppe?«, fragte Dr. Retroverria.
    »Die ist für mein Kind«, erwiderte Laura.
    »Welches Kind?«
    »Das Kind in meinem Bauch.«
    »Oh, sind Sie schwanger? Ich kann aber gar nichts sehen.«
    »Das hat der Arzt in Avignon auch gesagt. Ich weiß es aber besser.«
    »Woher nehmen Sie Ihre Gewissheit?«
    »Ich spüre es in mir. Es ist schon ganz groß.«
    »Vielleicht haben Sie ja gestern nur etwas Schweres gegessen. Außerde m – das, was Sie im Magen spüren, bewegt es sich denn?«
    Laura kehrte ihm den Rücken zu. Dr. Retroverria war ein freundlicher Mann, und sie mochte ihn seh r – aber warum ließ er sie nicht in Ruhe? Seit seinem ersten Besuch löcherte er sie mit seinen Fragen, und egal, was sie antwortete, immer behauptete er das Gegenteil. Das Haus, in dem man sie gefangen hielt, war angeblich nicht das Haus der Angst, sondern ein Krankenhaus. Lubbers war nicht der Feind, sondern Dr. Gonzáles, der Klinikchef. Der Klumpen in ihrem Bauch war kein Kind, sondern eine Verdauungsstörung. Und Harry war niemals hier gewesen, so wenig wie ihr Vater.
    »Ich denke nicht, dass Sie schwanger sind«, sagte Dr. Retroverria. »Sie bilden sich das Kind nur ein. Eine typische Körperhalluzination. Weil Sie glauben, dadurch mit Harry in Verbindung zu bleiben.«
    »Ich bin beeindruckt, wie dreist Sie lügen.«
    »Ich versuche nur, Sie mit der Wahrheit zu konfrontieren.«
    »Aber ich weiß, warum Sie das tun. Sie haben Angst vor mir.« Laura drehte sich wieder zu ihm um. »Weil Sie die Macht in mir spüren.«
    »Oh, Sie haben eine Macht?«
    »Ja. Ich kann mit Tieren sprechen.«
    Dr. Retroverria zuckte die Schultern. »Das ist bei sensiblen Menschen ganz normal. Mein Vater konnte das auch. Immer, wenn er in den Stall kam, hat er den Namen seines Reitpferds gerufen, und das Pferd antwortete ihm mit einem Wiehern.«
    »Das meine ich nicht. Ich meine richtiges Reden.«
    »Was bedeutet da s – richtiges Reden?«
    »Ich habe meinem Schaf in Sainte-Odile Gutenachtgeschichten vorgelesen. Es hat jedes Wort verstanden.«
    »Warum nicht?«, sagte Dr. Retroverria. »Sogar ich kann ein bisschen mit Tieren sprechen, zumindest mit meinem Hund. Wenn ich Platz sage, setzt er sich.«
    Laura blies sich eine Strähne aus der Stirn. »Sie glauben mir nicht, oder?«
    »Doch, durchaus, Miss Paddington.« Freundlich erwiderte er ihren Blick. »Ich bin mir sogar sicher, dass Sie sehr gut mit Tieren umgehen können. Aber ich glaube nicht, dass Sie dafür eine besondere Macht brauchen.«
    Laura packte allmählich die Wut. Warum war sie keine Seerose? Seerosen hatten keine Ohren und brauchten keine Fragen zu

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