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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Debbie, angeschaut. Sie war an dem Abend so unglücklich gewesen, dass sie sich am liebsten freiwillig zum Kriegsdienst nach Europa gemeldet hätte. Niemals würde sie die Verzweiflung in Harrys Gesicht vergessen, als er sich von Laura verabschiedet hatte.
    Ob die beiden sich wohl heimlich trafen?
    Durch die offene Tür kam Nscho-tschi hereingeschnurrt. Debbie nahm die Puppe von dem Thronsessel und hielt sie in die Luft.
    »Da, mein Hündchen! Fass!«
    Mit ihrer kleinen Schnauze fing Nscho-tschi die Puppe auf. Knurrend vor Begeisterung machte sie sich daran, sie mit ihren kleinen, spitzen Zähnen in Stücke zu reißen. Während Debbie mit bitterer Genugtuung dem Zerstörungswerk zusah, hörte sie plötzlich im Treppenhaus Schritte.
    Harry kam zurück!
    So schnell sie konnte, verschwand sie über den Flur in die Wohnung. Keine Sekunde zu früh! Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, hörte sie Harrys Stimme, dazwischen das Lachen und Glucksen einer Frau.
    War das Laura?
    Alles in Debbie drängte danach, sich Gewissheit zu verschaffen. Um der Versuchung zu widerstehen, stellte sie das Radio an.
    Solange sie nichts hörte, hoffte sie, standfest zu bleiben.
    10
    In voller Besetzung tönte das Glenn Miller Orchestra durch das Penthouse, so laut, als wäre es ein Tanzpalast. Harry zog sich den nassen Mantel aus, warf seinen schneebedeckten Hut auf einen Stuhl und öffnete die Tür zum Atelier. Ginger sah sich mit großen blauen Augen in der riesigen Wohnung um, das niedliche Gesicht erfüllt von ehrfürchtiger Bewunderung
    »Ist hier noch irgendwo eine Party?«
    »Wegen der Musik?«, fragte Harry. »Ich denke, das wird die Putzfrau sein. Sie ist halb taub und dreht deshalb das Radio immer auf volle Lautstärke.«
    Wie es sich gehörte, half er Ginger aus dem Mantel. Seine Beute dieser Nacht hatte rote Locken, unendlich lange Beine und war mindestens so hübsch, wie sie dumm war: eine Tänzerin aus der Banana Bar , einem Striplokal, das er in einer Seitenstraße des Broadway entdeckt hatte. Ihre Show galt unter Kennern als Geheimtipp. Ginger entblätterte auf der Bühne nicht nur ihren vollkommenen Körper, sondern führte sich als Höhepunkt der Darbietung auch eine Banane der Marke Bonita ein. Harry war gespannt, wie das wohl schmeckte: die Haute Cuisine der Alchemie.
    Obwohl er von der langen Nacht schon ziemlich müde war und auch zu viel getrunken hatte, nahm er ihre Hand und führte sie in sein Reich.
    »Du kannst dich schon mal ausziehen.«
    »Willst du mich etwa malen? Wie aufregend!«
    Ganz in ihrem Element, begann sie sogleich, sich im Rhythmus der Musik ihre schwarzen Handschuhe von den Fingern zu zupfen, um sich sodann mit kunstvollem Schwung ihrer Hüften die Bluse aufzuknöpfen. Zum Glück registrierte Dada ihre Entkleidungskunst mit spürbarem Wohlgefallen. Harry atmete au f – nur wenn Dada reagierte, konnte er Laura ein paar Minuten vergessen. Nach der unverhofften Begegnung bei Bloomingdale’s war er einen Monat lang jeden Morgen ins Museum of Modern Art gegangen, um in der Cafeteria auf seine Windsbraut zu warten. Aber Laura war nie erschienen. Das einzige Mal, dass er sie noch einmal gesehen hatte, war bei dem grässlichen Abendessen im Konsulat gewesen. Er hatte sich aufgeführt wie ein Idiot und zum Affen vor ihr und dem Stierkämpfer gemacht. Der ganze Raum hatte so säuerlich gerochen wie ein Paar alter, ausgelatschter Schuhe.
    »Du schaust ja gar nicht zu!«, maulte Ginger und zog eine Schnute.
    »Doch, doch!«, sagte Harry. »Mach nur weiter!«
    Sie war inzwischen auf das Podest gestiegen, auf dem sonst seine Modelle posierten, und trug an ihrem Oberkörper nur noch ihren karmesinroten BH . Schnurrend wie eine Katze schob sie den engen Rock über ihre Hüften.
    Harry wollte ihr gerade helfen, da flog die Tür auf. Im ersten Moment sah er nur rosa gesteppte Seide und Brokat. Ginger stieß einen spitzen Schrei aus.
    »Ist das die Putzfrau?«
    Mit energischen Schritten trat Debbie auf sie zu.
    »Raus!« Sie hob die Bluse vom Boden und warf sie ihr entgegen.
    »Aber Harry will mich doch malen!«
    »Verschwinden Sie! Sofort!«
    Debbie sprach mit solchem Nachdruck, dass Ginger gehorchte. Harry strengte alle Gesichtszüge an, um sie mit einem Lächeln zu verabschieden. Doch er brachte nur eine Grimasse zustande. Während Ginger ihre Kleidungsstücke auflas und zur Tür hinausstolperte, zündete er sich eine Zigarette an. Er hatte beschlossen, die Flucht nach vorne anzutreten.
    »Einfach hier

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