Himmelskrieg: Roman (German Edition)
vergessen, wie glatt, solide und dennoch federnd der schöne Boden war.
Über ihnen spannte sich der endlose, tiefschwarze Himmel des Weltalls. Diese Art des Himmels hatte Dale natürlich schon gesehen, aber hauptsächlich durch kleine Fenster. Noch nie zuvor war er auf der Oberfläche eines Planetoiden unter diesem Himmel gewandert. Wenn er den Kopf hob, konnte er Sterne sehen, die über der von der Sonne überfluteten Landschaft einen merkwürdigen Anblick boten. Gott sei Dank lag die sichelförmige Erde hinter ihnen. Dieses Bild hätte ihn nur abgelenkt und, wenn er daran dachte, wie gering die Chancen waren, jemals wieder dorthin zurückzukehren, traurig gemacht.
Körperlich fühlte er sich immer noch fit. Bei einer anderen Gelegenheit und an einem anderen Ort wäre er ganz versessen darauf gewesen, den Skinsuit auseinanderzunehmen, um nachzuschauen, welche Techno-Magie für eine atembare Atmosphäre sorgte – er nahm an, dass die gleiche auf Nanotechnologie basierende Vorrichtung, die sich in dem Vesikel manifestiert hatte, jetzt um seine Taille gewickelt war –, und gleichzeitig verhinderte, dass er Hunger, Durst oder Müdigkeit verspürte.
Er und die anderen hatten entlang ihren Wirbelsäulen und in der Magengegend immer wieder leichte Schmerzen verspürt, wie von Nadelstichen. Dale war sich ziemlich sicher, dass der Anzug ihm auf diese Weise Wasser und Kalorien zuführte, mög licherweise sogar das Äquivalent eines Keanu-Energy-Drinks.
Was die anderen Lebensfunktionen betraf – er hatte noch nicht versucht zu urinieren, aber bis jetzt hatte er auch noch keinen Druck auf der Blase verspürt. Wenn man berücksichtigte, welche Probleme die Entsorgung selbst für den mo dernsten von Menschen entwickelten Raumanzug darstellten, und in dieser Hinsicht kannte Dale sich bestens aus, denn als Astronaut hatte er sich gleich von Anfang an um EVA -Anzüge kümmern müssen, war dies eine echte Innovation, die auf der Erde Millionen, wenn nicht gar zig Millionen Dollar wert gewesen wäre.
Aber er würde nicht zur Erde zurückkehren.
Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Er sah nirgends eine Möglichkeit, dies zu bewerkstelligen. Und in Anbetracht dieser Tatsache ging es ihm ganz gut.
Er wünschte sich nur, er hätte sein Medaillon anfassen können, den Talisman, den er um den Hals trug.
Es handelte sich nicht um ein gewöhnliches Medaillon. Nein, Sir, eine St.-Christophorus-Medaille kam für ihn nicht in Frage. Er besaß ein echtes Incredible-Hulk-Medaillon von 1974, das er sich von seinem Taschengeld gekauft hatte, als er elf Jahre alt war.
Während der folgenden drei Jahre stellte er sie in seinem Zimmer aus, neben seinen Comicheften und den Action figuren. Er schämte sich zuzugeben, dass er den Hulk mochte, das grünhäutige Alter Ego des sanftmütigen Professors Bruce Banner, wenn die Umstände eine Verwandlung erforderlich machten … Wut und Muskeln anstatt Köpfchen und Furchtsamkeit. Und er liebte ihn nicht so sehr wegen der Marvel-Comics, sondern wegen der CBS -Fernsehserie.
Wie auch immer. Keiner außer Seth Bryant hatte ihn je danach gefragt, und Seth war ein Snob, was Comics betraf, und ein Trottel. Und für den Rest der Welt war Dale Scott ein Comicfan.
Der sich darauf verließ, dass der Unglaubliche Hulk ihn beschützte.
Und im Haushalt der Scotts brauchte er jemanden, der ihm half, denn John Jeremy Scott war ein Alkoholiker, der im Suff unzurechnungsfähig wurde – und als Dale elf Jahre alt war, begriff er, was los war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nur geglaubt, J. J. Scott, ein Police Officer in Anaheim, sei tough, weil er so sein musste. Er stampfte brüllend durchs Haus und machte Sachen kaputt – nicht immer, nicht mal sehr oft, aber es reichte – und als Dale jünger war, schlug der Vater ihn, wenn er mal aus der Reihe tanzte.
Aber von dem Augenblick an, als er sich den Hulk gekauft hatte, bezog er nie wieder Prügel. Nicht ein einziges Mal, bis zu dem Tag, als sein Vater endlich auszog.
Und Dale entdeckte, dass sein Hulk weg war! Jemand hatte ihn von seinem Ehrenplatz auf dem Regal gestohlen.
Er brauchte nicht nachzudenken, wer das getan hatte (sein Vater) oder warum (J. J. Scott beging dauernd irgendwelche Gemeinheiten, und einmal hatte er Dale verspottet, weil er seine Zeit damit vergeudete, sich im TV den Hulk anzusehen).
Aber Dale rächte sich. Nachdem J. J. abgehauen und dann zu einer anderen Frau gezogen war, wohnte er in Fullerton, nicht weit von Anaheim
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