Himmelskrieg: Roman (German Edition)
entfernt. Mit Dales Mutter teilte er sich das Sorgerecht für ihn und seine Schwester Chelsea, aber er hielt sich nicht besonders streng an den Plan, sehr zur Erleichterung beider Kinder.
Einmal, als Dale in J. J.s Wohnung war, hatte er sich in das Hauptschlafzimmer geschlichen … und fand das Hulk-Medaillon in der obersten Schublade einer Kleiderkommode.
Dale hatte das Medaillon eingesteckt und es problemlos aus dem Apartment geschmuggelt, aber danach lebte er in ständiger Angst, J. J. könnte den Diebstahl – genauer gesagt die Wiederaneignung – bemerken und sich in einem seiner fürchterlichen Wutanfälle an ihm austoben.
Diese Furcht begleitete Dale bis zu jener Nacht zwei Jahre später, als J. J. Scott bei einem Autounfall starb. Er war nicht im Dienst gewesen … und betrunken.
Er trug das Medaillon an einer Kette um den Hals, um es nicht zu verlieren, und der Hulkster hatte ihn überallhin begleitet, zum Cal Poly Pomona, dann zur Navy, dem Flugtraining und zur Graduation School. Das Medaillon war auf seinen beiden Irakeinsätzen dabei und während seiner Ausbildung zum Testpiloten. Er nahm es mit, als er der NASA beitrat, und es begleitete ihn sogar auf seiner Mission an Bord der Internationalen Raumstation ISS .
Und jetzt war das Medaillon hier … wie immer man diesen Ort bezeichnen sollte. Ein gottverlassener, ausgehöhlter Planetoid, der dabei war, das Sonnensystem zu verlassen, um heimwärts zu fliegen. Er fragte sich, wie weit sie in den letzten Tagen wohl gereist waren. Von der Erde aus wäre Keanu immer noch mit dem bloßen Auge aus zu sehen, auch wenn seine Flugbahn in Richtung des solaren Südens wies. Von Neuseeland oder Chile oder der Byrd-Station am Südpol aus würde man ihn gut beobachten können.
Wahrscheinlich würde Keanu eine geraume Zeit lang beschleunigen – verdammt, diese Phase konnte Jahrhunderte andauern, und auf diese Weise einen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Aber bis dahin … Herrgott, im Augenblick waren sie von der Erde nicht einmal so weit entfernt wie der Planet Mars!
Zack und Makali liefen voran, wie Führhunde, die vor einen Hundeschlitten gespannt sind. Williams zockelte als Letzter hinter ihnen her. Einerseits mochte es an seinem Alter liegen, zum anderen konnte er gar nicht anders, er blieb alle paar Dutzend Schritte stehen, um die Aussicht zu bestaunen. Kein Wunder. Seit fünfzig Jahren beschäftigte er sich in seiner Fantasie mit solchen Sachen. Dale nahm an, dass er sich an dem Anblick förmlich berauschte.
Er gönnte es ihm. Vor allen Dingen, weil er wusste, dass er auch nicht länger leben würde als Dale.
Er schloss zu Valya auf und fragte sie in seinem weniger als mittelmäßigen Russisch, wie es ihr ginge. Am Landeplatz der BRAHMA hatte er ihre wachsende Anspannung gemerkt, und auch, dass es ihr absolut widerstrebte weiterzugehen.
»Was denkst du wohl, wie ich mich fühle?«, knurrte sie. Okay, sie war offensichtlich immer noch gestresst.
»Ich wünschte, ich könnte dich aufheitern«, sagte er.
»Wie denn?«, gab sie ruppig zurück. »Indem du mir ein Lied vorsingst? Oder einen Witz erzählst?«
»Früher hat es doch auch geklappt.«
»Früher hattest du viele charmante Tricks drauf, die auf mich gewirkt haben. Aber die Umstände haben sich geändert.«
»Ich verstehe.«
Er ließ sie weiterstapfen, fiel zurück und gesellte sich zu Williams. »Ist alles so, wie Sie es sich immer erträumt haben?«, fragte er.
»Wie man’s nimmt, einige Sachen sind schrecklich, andere wiederum kann ich nur als fantastisch bezeichnen. Szenen wie diese habe ich in mehreren meiner Romane beschrieben, aber ich hätte natürlich nie geglaubt, selbst einmal über ein von Aliens gebautes Raumschiff zu laufen.«
»Komisch, wie manche Träume wahr werden.«
»Oder Albträume.«
»Die fallen dann wohl unter die Kategorie ›schrecklich‹.«
»Ich halte mir ständig vor Augen, dass ich mir für meine Protagonisten immer eine wundersame Rettung aus höchster Not ausgedacht habe. Wenn ich tatsächlich Visionen habe, die das Potenzial besitzen, Realität zu werden …«
»Zumindest haben Sie die Hoffnung nicht verloren.«
Dale fiel auf, dass Williams, obwohl er rüstig ausschritt, leicht hinkte. Doch ehe er ihn darauf ansprechen konnte, hörte er Makali schreien:
»O mein Gott, seht euch das an!«
Die Skinsuits waren besser als die Raumanzüge der NASA , doch sie hatten den großen Nachteil, dass sie das Gesichtsfeld des Trägers einengten.
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