Himmelskrieg: Roman (German Edition)
blickte an Harley vorbei.
»Vikram, hat Chitrans Aussage Sie … zufriedengestellt?«
»Ja. So unwahrscheinlich ihre Geschichte auch klingen mag … ich glaube der Frau.«
»Ein neun Jahre altes Mädchen, das nur so groß ist«, Weldon hob seine Hand bis auf Brusthöhe, »überwältigt eine erwachsene Frau.«
»Kommen Sie, Shane!«, sagte Sasha. »Chitran reicht mir kaum bis zur Schulter. Sie ist schwach, sie ist abgelenkt …«
»Und Kinder können sehr brutal sein«, gab Nayar zu bedenken.
»Vor allen Dingen, wenn sie Revenants sind?«, wollte Harley wissen. Er war sich nicht sicher, was er von diesen wiederauferstandenen Menschen halten sollte. Von ihnen gab es ja auch nur sehr wenige. Wie benahmen sich diese Revenants? Ein bisschen Anekdotenhaftes hatte er über Megan Stewart gehört, und noch weniger wusste er von Pogo Downey. Chitran hatte sich bis jetzt kaum als hilfreich erwiesen, und Camilla war ein unbeschriebenes Blatt. »Wohin ist Camilla gegangen?«
Seit Stunden hatte man sie nicht mehr gesehen. »Wir suchen nach ihr«, sagte Weldon.
»Brauchen Sie vielleicht ein paar starke Männer, die die Flüchtige notfalls bändigen können?«, fragte Sasha mit offenem Sarkasmus.
»Jeder, der bei der Suche hilft, ist uns willkommen«, erwiderte Weldon in gelassenem Ton.
»Bevor Sie losziehen«, sagte Nayar, »möchte ich Ihnen noch etwas sagen. Ich weiß allerdings nicht, ob es wichtig ist.« Er schien Hemmungen zu haben, weiterzusprechen. Schließlich fuhr er fort: »Es kann natürlich ein Verständigungsproblem sein. Chitran sagt nicht: ›Camilla hat mich getötet.‹ Sie sagt: ›Camilla hat uns getötet.‹«
»Macht das einen Unterschied?«, fragte Weldon.
»Selbstverständlich«, behauptete Sasha. »Man muss berück sichtigen, was sich jetzt in Chitrans Kopf befindet … Bilder und Begriffe, die von den Architekten stammen. Es könnte eine Warnung sein … dass Camillas Tat gegen jeden von uns gerichtet war.«
»Möglicherweise nicht nur gegen Menschen«, ergänzte Nayar. »Vielleicht gegen jedes Lebewesen auf Keanu.«
Er wusste selbst, dass er eine miese Laune hatte. Verständlicherweise, wenn man bedachte, wie müde er war und unter welchem Stress er stand. Eine gute Führungspersönlichkeit lässt sich dadurch aber nicht beeinflussen, ermahnte er sich.
Gleich darauf dachte er: Wer sagt denn, dass du eine gute Führungspersönlichkeit bist?
Nun ja, zurzeit war Harley Drake – ohne dass er etwas dafür konnte – der beste Anführer, den die Houston/Bangalores hatten. Und er musste diese Rolle ausfüllen, auch wenn er sich ihr nicht gewachsen fühlte. Aber wenn Präsidenten und Premierminister das geschafft hatten, warum nicht auch er?
Als der Anführer der Bangalores, Nayar, zu ihm aufschloss, sagte er: »Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich so kurz angebunden war.«
»Ist mir gar nicht aufgefallen«, erwiderte Nayar. »Ich mache mir mehr Sorgen um den Tempel.« Gott, was ist denn jetzt schon wieder, dachte Harley. »Haben Sie zufällig einen Blick auf das Woggle-Käfer-Terrarium geworfen, ehe sie zum See aufbrachen?«
»Vielleicht tat ich das sogar, aber irgendetwas sagt mir, dass ich nicht genau genug hingesehen habe.«
»Aber Sie wissen doch, dass unser einzelner Käfer sich in zwei, dann in vier und später in acht Käfer verwandelte?«
»Nein, mir ist nur bekannt, dass es auf einmal zwei waren.« Harley fasste Nayar ins Auge und versuchte herauszufinden, wie groß seine Sorgen wirklich waren. Es fiel ihm schwer, die Mimik und die Körpersprache des Inders zu entschlüsseln. Herrgott noch mal, kein Wunder, dass wir mit einer von Aliens geschaffenen Umgebung und deren Bewohnern solche Probleme haben, wenn wir kaum imstande sind, Menschen von einem anderen Kontinent zu verstehen .
»Die Sache ist mittlerweile eskaliert. Wenn man pro Stunde eine geometrische Folge zugrunde legt, könnten es jetzt mehrere hundert oder gar tausend Käfer sein … obwohl es sich nicht um echte Individuen handelt.«
»Wie zum Teufel bewerkstelligen sie das? Was benutzen diese Käfer als Nahrung oder Energie oder Extramasse?«
»Allem Anschein nach fressen sie ihr eigenes Terrarium auf, oder den Untergrund, auf dem es steht.«
»Okay, ich denke, das sollte ich mir ansehen.«
Sie waren immer noch zweihundert Meter vom Tempel entfernt. Wie Harley erwartet – und gehofft – hatte, herrschte Ruhe unter den Leuten, die sich für den hereinbrechenden »Abend« rüsteten. Ein steter Rhythmus
Weitere Kostenlose Bücher