Himmelsmechanik (German Edition)
besten Bruchsteine haben nicht deren geologische Stabilität und Trockenheit, und ich brauche einzigartige, denn einzigartig ist auch die Richtung der Maserung, die geeignet ist, das Gewicht des neuen Raums zu tragen und ihn in eine Harmonie mit den ursprünglichen Grundsteinen zu führen, die seit zwei Jahrhunderten den Rest tragen. Deshalb werden sie mit einer Sorgfalt und Kenntnis ausgewählt, die ich nicht habe, die niemand hier hat, außer Vittorio.
Wenn es heißt, den Grundstein legen, dann ist das nicht einfach so dahingesagt. Vittorio ist schon siebzig Jahre alt, und in nicht allzu langer Zeit werden wir uns eine andere Methode einfallen lassen müssen, um unsere Häuser abzustützen. Nicht dass wir solche Dummköpfe sind, dass wir noch nichts vom System der Mikropfähle in Stahlbeton und seiner richtigen Anwendung gehört hätten, aber es ist immer wieder dieselbe Geschichte mit unserer Beschränktheit, die uns dazu zwingt, nichts zu ändern, wenn wir nur können; und unsere Häuser bleiben so, wie sie sind. Aus eingefleischter Faulheit und reiner Liebe zum Luxus. Und Vittorio brauchen wir, und er könnte jeden Preis verlangen, denn er agiert im eisernen Regime des Monopols. Gott sei Dank ist er nicht unmenschlich und hat immer nur das verlangt, was er brauchte, um seine Töchter studieren zu lassen und ausreichend essen und trinken zu können; was ihn angesichts der Art seiner Arbeit mehr kostet als seine Töchter, die spezialisierten Akademikerinnen.
In seinem Alter ist Vittorio noch mehr als ein Meter achtzig groß und wiegt zwei Zentner. Er ist Steineklopfer, seit er neun Jahre alt war, und er muss Benito Mussolini noch für die Lizenz dankbar sein, die dieser seinem Vater für die Steine dieses Flusses gewährt hat. Es gibt in keinem anderen Fluss für keinen anderen Steinklopfer eine solche Lizenz, und die Behörde sagt, dass sie nach seinem Tod nicht mehr ausgestellt werden kann. Vittorio darf noch arbeiten, sagt die Behörde, weil er mit seinem Hammer der seltenste Vogel ist, den es auf der Welt gibt, und angesichts seines Alters kann er dem Fluss nicht mehr schaden; doch Flüsse muss man in Ruhe lassen, ihr Bett bewachen und vor Beschädigung und der Ausplünderung der Steine beschützen. Und da hat die Behörde ja auch nicht Unrecht, auch wenn es ganz sicher ist, dass Vittorio noch nie den Lauf des Flusses umgeleitet oder Überschwemmungen verursacht hat. Diesen Verdacht der Störung und Plünderung empfindet Vittorio als großes Unrecht; und besonders leidet er daran, dass er den Beruf nicht seinen Töchtern hat beibringen können, wenigstens Marinella, derjenigen, bei der es am aussichtsreichsten gewesen wäre.
Ich kenne Marinella und weiß, dass sie Steineklopferin hätte werden können. Als kleines Mädchen habe ich sie immer an ihrem Vater herumhängen sehen; sie machte ihre Hausaufgaben, die Schulmappe an einen Stein gelehnt, während er sich abmühte, Steine zu zertrümmern, und ich sah sie abends Hand in Hand zwischen den Zweigen herumlaufen und Blässhuhnnester suchen, oder wie sie regungslos balancierend auf einem Becken standen, in der Hand ein dickes Kürbisblatt, und mit diesem Seiltänzer-System versuchten, den Perlfisch zu fangen. Und auch als sie heranwuchs, ist sie im Fluss geblieben, und im Fluss habe ich sie zu jeder Jahreszeit, zu jeder Stunde gefunden. Präzise, als hätte sie die Natur der Möwe angenommen, fischt sie nur, wo der Saibling anbeißt, sonnt sich auf dem letzten Felsen, der sie wärmt, versteckt ihre Liebhaber nur auf Felsen, von denen sie nicht abhauen können. Ich habe sie gesehen, wie sie im Juli und im Februar in die Pfütze namens Sibirien sprang und einen halben Kilometer von der Brücke bis zur Staumauer von Fosciandora gegen die Strömung schwamm. Sie ist Professorin für Literatur und Doktorin in Archivkunde, und ihr Beruf ist der, alles zu bewachen, was der Dichter Pascoli in seinem Haus hinterlassen hat.
Wenn sie nicht am Fluss ist, ist sie dort, aber wenn man sich über den Gartenzaun beugt, kann man von diesem Haus auch den Fluss sehen. Sie betrachtet die Briefe des Dichters, dreht und wendet sie; sie spricht mit den großen Forschern des Fachs und schreibt in gewissen kleinen Büchern, die Vittorio, auch wenn er sich Mühe gibt, nicht verstehen kann. Und diese Unverständlichkeit Marinellas ist für ihn Ursache großen Kummers. Denn sein Großvater, gröber als Schwarzbrot, gehörte zur Brigade, die in der Osteria del Ponte mit dem Dichter trank
Weitere Kostenlose Bücher